OLG Köln: Alleinhaftung eines ohne Sicht abbiegenden Fahrers

StVO §§ 5 VII 1, 9 III und V

Biegt ein Pkw-Fahrer links ab, obwohl ihm durch einen linksabbiegenden Kleinlaster des Gegenverkehrs die Sicht auf alle Fahrstreifen des Gegenverkehrs versperrt ist, haftet er nach einem urteil des Oberlandesgerichts Köln allein, wenn er mit einem Motorradfahrer kollidiert, der – bei ausreichender Fahrbahnbreite – an dem Kleinlaster rechts vorbei fährt. Die bloße Betriebsgefahr des Motorrads trete in diesem Fall hinter den groben Verkehrsverstoß des Pkw-Fahrers vollständig zurück.

OLG Köln, Urteil vom 01.02.2018 - 3 U 114/17 (LG Aachen), BeckRS 2018, 26726

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 23/2018 vom 21.11.2018

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Sachverhalt

Ein Motorradfahrer war rechts an einem Kleinlaster vorbeigefahren, der links blinkend und zur Fahrbahnmitte eingeordnet auf einer Kreuzung stand, um vor dem Abbiegevorgang dem Gegenverkehr Vorrang zu belassen. Der Motorradfahrer hatte bei der Vorbeifahrt nicht nur die reine Fahrbahn benutzt, sondern auch den Fahrradschutzstreifen von 1,50 Metern Breite. Insgesamt stand dem Motorradfahrer so eine Breite von knapp 3 Metern für die Vorbeifahrt zur Verfügung.

Es kam zu einer Kollission mit einem Pkw, der aus dem Gegenverkehr nach links abbog, obwohl er aufgrund des Kleinlasters keine freie Sicht auf die Gegenfahrbahn hatte.

Das Landgericht hatte dem Motorradfahrer 100% Schadenersatz zugesprochen, womit der beklagte Pkw-Fahrer nicht einverstanden war. Seine Berufung blieb allerdings erfolglos und wurde in dem hier vorgestellten Urteil zurückgewiesen.

Rechtliche Wertung

Der Senat verwies auf eine Vorfahrtsverletzung durch den Kläger gemäß § 9 Abs. 3 und 5 StVO. Nach den Feststellungen eines in erster Instanz tätigen Sachverständigen war die für die Klagepartei erkennbare Breite neben dem schon erwähnten stehenden Linksabbieger so bemessen, dass sie mit dem Durchfahren von Verkehrsteilnehmern rechnen musste.

Die Inanspruchnahme des Fahrradschutzstreifens sei zulässig gewesen. Der korrekt stehende Linksabbieger habe rechts überholt werden müssen (§ 5 Abs. 7 Satz 1 StVO). Nur wenn das rechts überholen wegen zu großer Enge nicht möglich gewesen wäre, hätte der überholende Motorradfahrer warten müssen. Hier sei aber ausreichend Raum vorhanden gewesen.

Der Kläger hätte zwischen Fahrradschutzstreifen und Fahrradweg unterscheiden müssen. Ein Fahrradweg sei allein Radfahrern vorbehalten, während ein Fahrradschutzstreifen von Kraftfahrzeugen im Bedarfsfall benutzt werden dürfe. Schutzzweck der Norm sei der Schutz der Radfahrer, nicht der Schutz des Gegenverkehrs. Daher sei ein Verschulden des Motorradfahrers nicht erkennbar. Es bleibe also bei der Vorfahrtsverletzung des Klägers.

Diese Vorfahrtsverletzung sei auch besonders grob, weil nach «Blinklinks» abgebogen worden sei. Da komme die Betriebsgefahr des Motorrads nicht mehr in Ansatz.

Praxishinweis

Die Entscheidung wird hier vor allem deshalb vorgestellt, damit der Unterschied zwischen Fahrradschutzstreifen und Fahrradweg wieder einmal in Erinnerung gerufen wird.

Im Übrigen beschäftigt sich der Senat auch mit § 14 RVG. Der 20%ige Ermessensspielraum bei der Bemessung einer Rahmengebühr gilt nach dem Urteil des Gerichts bei einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG nicht, wenn es um die Schwelle von mehr als einer 1.3 Gebühr geht.

Redaktion beck-aktuell, 27. November 2018.