OLG Köln: Äußerungen zu Verbindungen zwischen Grünenthal und Conterganstiftung dürfen nicht als unwahr bezeichnet werden

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 12.04.2018 gab es zwischen dem Conterganhersteller Grünenthal und der Conterganstiftung Verflechtungen. Gegenstand des Verfahrens war das Schreiben eines Vorstandsmitglieds der Conterganstiftung. Dieser hatte darin die Äußerungen des Klägers "30 Jahre lang schaute Grünenthal in der Conterganstiftung auf die medizinischen Akten der Betroffenen" und "30 Jahre lang hat Grünenthal die Gutachter der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung bezahlt" als unwahr bezeichnet – zu Unrecht, wie jetzt das OLG klarstellte (Az.: 15 U 85/17).

Kläger war Sachverständiger in Ausschusssitzung

Hintergrund des Rechtsstreits ist eine öffentliche Anhörung vor dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des 17. Deutschen Bundestages am 01.02.2013 zu den Ergebnissen einer Längsschnittstudie über die Lebenssituation Contergangeschädigter. Der Kläger war zu dieser Sitzung als Sachverständiger in seiner Funktion als Mitglied des Stiftungsrates und Vorsitzender des Bundes der Contergangeschädigten und Grünenthalopfer geladen. Dort machte er unter anderem die vorstehenden Äußerungen. Im Anschluss an die Ausschusssitzung verfasste der Beklagte, der bis Ende 2009 Vorsitzender der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung und ab Ende 2009 Mitglied im Vorstand der Stiftung war, auf dem Briefkopf des Vorstands der Conterganstiftung einen Brief an alle Mitglieder des Bundestagsausschusses, in dem er unter anderem die fraglichen Aussagen des Klägers als unwahr bezeichnete.

Medizinische Kommission von Grünenthal mitfinanziert

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Zeitraum von 1972 bis 2003 der Leiter der Rechtsabteilung von Grünenthal, der das Unternehmen nach seinem Ausscheiden auch weiter als Rechtsanwalt vertrat, in Personalunion auch Vorsitzender der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung war und in dieser Eigenschaft Zugriff auf medizinische Akten der Betroffenen hatte, bevor diese an die Sachverständigen übersandt wurden. Ein weiterer Mitarbeiter der Firma Grünenthal arbeitete in diesem Zusammenhang dem Rechtsanwalt zu. Unstreitig ist ebenfalls, dass die Finanzierung der Arbeit der Medizinischen Kommission der Conterganstiftung jedenfalls teilweise über einen Pauschalbetrag abgesichert wurde, den die Firma Grünenthal an die Conterganstiftung überwies.

Beklagter verwies auf umfassende Vorkehrungen gegen Informationsfluss an Grünenthal

Der Beklagte hatte argumentiert, dass es umfassende Vorkehrungen in der Art einer "Chinese wall" gegeben habe, um trotz der Doppelrolle des Leiters der Rechtsabteilung und des Mitarbeiters einen Informationsfluss an die Firma Grünenthal zu verhindern. Die Gutachter der Medizinischen Kommission seien stets aus Mitteln der Conterganstiftung bezahlt worden. Der Brief an die Mitglieder des Bundestagsausschusses sei in diesem Zusammenhang eine zulässige Meinungsäußerung gewesen.

Aussagen des Klägers unstreitig wahr

Das OLG Köln hat jetzt entschieden, dass der Beklagte die Äußerungen, die er gegenüber dem Bundestagsausschuss gemacht hat, zukünftig unterlassen muss. Die Äußerungen des Klägers seien auf Grundlage des unstreitigen Tatsachenvortrags wahr. Die Ausschussmitglieder hätten die Äußerungen so verstehen müssen, dass Mitarbeiter von Grünenthal die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der medizinischen Akten gehabt hätten und dass die Arbeit der Medizinischen Kommission – unmittelbar oder mittelbar – von der Firma Grünenthal finanziert worden sei. Diese Aussagen seien aber unstreitig wahr, die entgegengesetzten Äußerungen des Beklagten damit unwahr. Die Äußerungen des Beklagten seien auch nicht als Meinungsäußerungen zu bewerten. Kern der Äußerung des Beklagten sei die dem Wahrheitsbeweis zugängliche Frage, ob der Kläger in der Ausschusssitzung etwas Unwahres behauptet habe.

Richtigstellung gegenüber Mitgliedern des Bundestagsausschusses nicht mehr geboten

Einen ebenfalls vom Kläger verfolgten Anspruch auf Richtigstellung gegenüber den Mitgliedern des Bundestagsausschusses hat der Senat abgewiesen. Der Kläger habe mit der Klageeinreichung über drei Jahre und bis über das Ende der 17. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hinaus gewartet. Die Mitglieder des Ausschusses des 17. Deutschen Bundestages könnten wegen des Grundsatzes der Diskontinuität in dieser Eigenschaft mit entsprechenden Gesetzesvorhaben nicht mehr befasst werden, eine Richtigstellung ihnen gegenüber sei nicht mehr geboten.

Revision nicht zugelassen

Mit der Entscheidung hat das OLG ein Urteil des Landgerichts Bonn teilweise bestätigt. Das LG hatte den Beklagten nur zur Unterlassung der Äußerung betreffend die medizinischen Akten verurteilt und darüber hinaus einen Richtigstellungsanspruch angenommen. Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

 

OLG Köln, Urteil vom 12.04.2018 - 15 U 85/17

Redaktion beck-aktuell, 13. April 2018.