OLG Jena: Kein Ersatz der Umlackierungskosten für unverhältnismäßig aufwendige Airbrushlackierung bei Totalschaden

BGB §§ 249, 251

Bei Totalschaden eines Fahrzeugs mit einer individuellen Lackierung (Airbrushlackierung) kann der Geschädigte Zahlung in Höhe der Umlackierungskosten für ein Ersatzfahrzeug nicht verlangen, wenn der Aufwand für die Umlackierung unverhältnismäßig ist. Der nach § 251 BGB geschuldete Geldersatz ist, weil mangels eines Marktes für vergleichbare gebrauchte Sachen eine Ersatzbeschaffung nicht möglich ist, auf der Grundlage des Anschaffungswertes unter Berücksichtigung von Abschreibungen für die Alterung zu ermitteln. Dabei kommt es auf das Alter des Fahrzeugs an, nicht auf das Alter der Lackierung. Dies hat das Oberlandesgericht Jena entschieden.

OLG Jena, Urteil vom 16.03.2017 - 1 U 493/16 (LG Meiningen), BeckRS 2017, 117732

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 15/2017 vom 03.08.2017

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Sachverhalt

Die Parteien streiten nach einem Verkehrunfall über Anspruchsgrund und Schadenhöhe. Das Landgericht verurteilte die Beklagten schließlich zu einem Betrag von 2.107,88 EUR. Die Klägerin möchte jedoch insgesamt 6.580,74 EUR haben und legte daher Berufung - mit bescheidenem Erfolg, denn sie erhielt nunmehr 2.281,88EUR.

Mit dem Anspruchsgrund, bei dem es auch in der Berufungsinstanz bleibt, wollen wir uns hier nicht weiter beschäftigen, sondern nur mit der Schadenhöhe, soweit die Klägerin im Rahmen des erlittenen Totalschadens die Kosten einer Airbrushlackierung ersetzt haben will.

Rechtliche Wertung

Im Jahr 2003 hatte die Klägerin auf das jetzt zerstörte Fahrzeug eine solche Sonderlackierung aufbringen lassen. Würde sie jetzt bei einem Ersatzfahrzeug dieses wieder mit der Sonderlackierung versehen wollen, so müsste sie für diese Lackierung netto 2.436,97 EUR aufbringen.

Hier sieht der Senat nun aber die Grenzen der Naturalrestitution erreicht, denn das seien unverhältnismäßige Aufwendungen, die die Klägerin hier begehre. Ein Abzug wegen einer Wertverbesserung durch die Naturalrestitution müsse nicht vorgenommen werden. Maßgeblich für die Frage der Werterhöhung sei, ob der Wert der Gesamtsache, also des beschädigten 12 Jahre alten Pkw durch die Lackierung erhöht worden sei. Dies aber sei nicht der Fall.

Bei einem älteren Fahrzeug mit höherer Laufleistung trete keine Werterhöhung durch Neulackierung ein. Weil unverhältnismäßig hohe Aufwendungen begehrt würden, sei nach Wert- oder Summeninteresse zu entschädigen, was der Wertminderung entspreche, die das Vermögen des Geschädigten durch den Unfall erlitten hat. Diese Wertminderung sei auf der Grundlage des Anschaffungswertes, unter Berücksichtigung von Abschreibungen zu ermitteln. Die Lebensdauer des Fahrzeugs schätze der Senat auf 12 Jahre.

Die Lackierung sei untrennbar mit dem Schicksal des Fahrzeugs verbunden, den Zeitwert der Lackierung schätzte der Senat beim Unfall auf 10% der Anschaffungskosten, von brutto 2.900 EUR, so dass die Klägerin nun also 290 EUR für diesen Posten erhalte.

Praxishinweis

Fahrzeuge mit Sonderlackierung beschäftigen den Verkehrsrechtler bei einem Unfall stets. Hier geht das OLG einen nachvollziehbaren Weg. Es handelt sich somit um ein Urteil, das zwar einen nicht alltäglichen Schadenfall betrifft, aber interessant ist es gleichwohl.

Redaktion beck-aktuell, 10. August 2017.