OLG Jena: Angemessener Zeitraum für Ersatz von Mietwagenkosten

BGB §§ 278, 249, 254; VVG § 115; ZPO §§ 511, 513, 517, 519, 520

Der Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten umfasst neben dem Zeitraum für eine Reparatur oder Ersatzbeschaffung den Zeitaufwand, der für die Gutachtenseinholung erforderlich ist, sowie eine daran anschließende angemessene Überlegungsfrist von drei oder vier Tagen. Steht die Dauer der Inanspruchnahme des Mietwagens in eklatantem Missverhältnis zur Vorschätzung eines Sachverständigen, so hat der Geschädigte näher vorzutragen, weshalb die Reparatur tatsächlich wesentlich länger als veranschlagt gedauert hat. Dies hat das Oberlandesgericht Jena entschieden.

OLG Jena, Urteil vom 05.07.2016 - 5 U 165/15 (LG Mühlhausen), BeckRS 2016, 20367

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 25/2016 vom 22.12.2016

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Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümer eines VW-Phaeton, der bei einem Verkehrsunfall schwer beschädigt wurde. Der Sachverständige schätzte die Reparaturzeit auf 18 Tage. Tatsächlich wurde der Mietwagen für 66 Tage in Anspruch genommen. Die Klägerin legte zur Rechtfertigung dieser langen Mietdauer lediglich einen Reparaturplan der Werkstatt vor. In diesem finden sich erhebliche Lücken, zu deren Aufklärung die Klägerin nicht weiter beigetragen hat.

Die Mietwagenrechnung lautete auf einen Betrag von 7.565,64 EUR für eine Mietdauer vom 16. April bis zum 21. Juni. Der beklagte Versicherer zahlte davon 3.264 EUR. Streitgegenständlich ist der Restbetrag der Mietwagenkosten in Höhe von 4.301,64 EUR.

Das Landgericht hatte erstinstanzlich die auf Zahlung diesen Betrags gerichtete Klage abgewiesen. Die von der Klägerin eingelegte Berufung zum OLG blieb ohne Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das OLG führt aus, dass zu dem zu ersetzenden Herstellungsaufwand die objektiv erforderlichen Mietwagenkosten gehören. Erforderlich seien nur solche Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten durfte. Auch sei der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadenminderungspflicht gehalten, im Rahmen des Zumutbaren, von mehreren Möglichkeiten die Modalität auszuwählen, die den wirtschaftlicheren Weg darstelle.

Für die zu ersetzende Dauer einer Mietwagenanmietung bedeute dies, dass sich der Anspruch auf die «notwendige» Zeit beschränke. Wenn anstelle von vom Sachverständigen angesetzten 18 Tagen 66 Tage Ausfall aufliefen, müsse es seitens der Klägerin konkrete, aufklärende Hinweise geben. Das Fahrzeug sei immerhin bereits am Unfalltag in eine Fachwerkstatt gebracht worden und dort sei sogleich der Auftrag für ein Gutachten erteilt worden.

Auffallend sei dann bereits die Dauer bis zur Erteilung des Reparaturauftrags. Das Gutachten sei am 17.04. erstellt worden, der Reparaturauftrag sei aber erst am 25.04 erteilt worden. Nicht nachvollziehbar sei ein zweites «Loch» im Zeitablauf, denn das Fahrzeug sei am 22.05. aus der Lackiererei gekommen, die Rückgabe an die Klägerin sei aber erst am 26.06. erfolgt.

Ihrer aus diesen Tatsachen resultierenden erweiterten Darlegungs- und Beweislast sei die Klägerin unter keinen Umständen nachgekommen. Dass sie in der Berufungsinstanz vorgetragen habe, bei der Beauftragung sei eine zügige Reparatur zugesagt worden, sei schon nicht hinreichend substantiiert, denn aus dieser Aussage ergebe sich nicht, wann wer was wem zugesagt habe.

Vor diesem Hintergrund sei nicht zu beanstanden, dass der Beklagte nur 18 Tage außergerichtlich reguliert habe.

Praxishinweis

Die Entscheidung macht deutlich, dass der Geschädigte selbst aktiv bleiben muss und sich nicht darauf verlassen darf, dass die Werkstatt alles zügig erledigt. Er muss nachfragen und er muss diese Nachfrage auch dokumentieren. Nur so kann nachvollzogen werden, was er alles unternommen hat, um eine Reparatur wenigstens einigermaßen in dem Zeitfenster durchführen zu lassen, das vom Sachverständigen vorgegeben wurde.

Redaktion beck-aktuell, 2. Januar 2017.