OLG Hamm: Begriff der «Zerstörung» in der Kfz-Kaskoversicherung

BGB § 305c I, II

Der Begriff der Zerstörung in den Kasko-Versicherungsbedingungen erfasst nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm eine über den (wirtschaftlichen) Totalschaden hinausgehende Beschädigung eines Fahrzeugs.

OLG Hamm, Urteil vom 29.11.2018 - I-6 U 42/18 (LG Dortmund), BeckRS 2018, 41235

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Kanzlei GRAMS Rechtsanwälte, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 8/2019 vom 18.04.2019

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Sachverhalt

Der Kläger macht gegenüber der Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls weitergehende Ansprüche aus einer Kfz-Kaskoversicherung geltend. Er veräußerte das Fahrzeug unrepariert zum Restwert. Die Beklagte regulierte unter Berufung auf die nach den AKB bei Beschädigung und Nicht-Reparatur geltenden Obergrenzen (A.2.5.2 Muster-AKB 2015 des GDV, vgl. Prölss/Martin VVG 30. Aufl. Nr. 350) unter Abzug einer Selbstbeteiligung die Differenz zwischen Wiederbeschaffungswert und Restwert.

Der Kläger fordert eine weitergehende Regulierung auf Neuwertbasis. Er ist der Ansicht, dass eine «Zerstörung» des Fahrzeugs im Sinn von A.2.5.1. der Muster-AKB vorliege. Dieser Begriff sei dahin auszulegen, dass es sich um einen hinter einem Totalschaden zurückbleibenden, besseren Fahrzeugzustand handle.

Das Landgericht wies die Klage ab; die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Rechtliche Wertung

Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Regulierung des Unfallschadens auf Neuwertbasis, entschied das OLG. Eine Zerstörung des Fahrzeugs im Sinn der AKB liege nicht vor. Der Begriff der Zerstörung sei in den AKB - anders als der Begriff des Totalschadens – nicht definiert. Die Auslegung der Bedingungen führe jedoch entgegen der Rechtsmeinung des Klägers dazu, dass unter «Zerstörung» eine über den (wirtschaftlichen) Totalschaden hinausgehende Beschädigung zu verstehen sei.

Der Wortlaut «Zerstörung» spreche für ein technisches Maß der Beschädigung, bei dem eine Reparatur des Fahrzeugs nicht mehr möglich ist. Die AKB differenzierten bzgl. des Regulierungsumfangs zwischen «Totalschaden, Zerstörung und Verlust» einerseits sowie «Beschädigung» andererseits. Aus dieser Systematik könne der durchschnittliche Versicherungsnehmer entnehmen, dass es auf die Abgrenzung dieser verschiedenen Begriffsgruppen und nicht auf die Abgrenzung innerhalb der Aufzählung «Totalschaden, Zerstörung und Verlust» ankomme. Den letztgenannten Schadenarten sei gemein, dass bei ihnen im Regelfall eine Reparatur des Fahrzeuges nicht erfolgen werde.

Zwar sei nach den AKB eine Reparatur auch im Fall einer «Zerstörung» nicht zwangsläufig ausgeschlossen, aus Wortlaut und Systematik ergebe sich aber, dass unter «Zerstörung» nicht eine geringere Beschädigung als bei einem «Totalschaden» zu verstehen sei, sondern eine weitergehende Beschädigung. Aufgrund der Definition des Totalschadens (A.2.5.1.5 Muster-AKB, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert übersteigen) sei erkennbar, dass mit zunehmendem Fahrzeugalter bereits relativ geringe Reparaturkosten zu einem wirtschaftlichen Totalschaden führen können. Im Wege eines Erst-Recht-Schlusses werde erkennbar, dass bei einer weitergehenden technischen Zerstörung als bei einem (wirtschaftlichen) Totalschaden keine weitergehenden Leistungen als bei einem Totalschaden gefordert werden können.

Da im konkreten Fall laut Gutachten eine Reparatur zu Kosten unterhalb des Wiederbeschaffungswerts problemlos möglich gewesen wäre (also schon kein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen habe), liege eine Zerstörung im Sinne der Bedingungen nicht vor.

Praxishinweis

Die Revision wurde vom OLG nicht zugelassen. Der Kläger hat dagegen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim BGH unter dem Az. IV ZR 13/19 anhängig ist.

Der Entscheidung ist aus Sicht des Verfassers zuzustimmen (vgl. auch Klimke in Prölss/Martin VVG 30. Aufl. Nr. 350 A.2.5 AKB 2015 Rn. 3; OLG Köln, Urteil vom 17.08.2004 - 9 U 3/04, r+s 2004, 453).

Der Entscheidung des OLG Celle (Urteil vom 07.08.2014 - 8 U 94/14, r+s 2014, 598, FD-VersR 2014, 361780) lag eine abweichende Klausel zugrunde. Ohne diese Klausel ging auch das OLG Celle davon aus, dass eine Zerstörung grundsätzlich erst dann vorliege, wenn der Grad der Beschädigung eine Wiederherstellung oder Wiederbenutzung des Fahrzeugs endgültig ausschließt.

Redaktion beck-aktuell, 7. Mai 2019.