OLG Frankfurt am Main: KPMG muss Arcandor Honorare zurückzahlen, aber keinen Schadensersatz leisten

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Urteil vom 17.01.2018 Schadensersatzansprüche des Insolvenzverwalters des ehemaligen großen deutschen Handelskonzerns Arcandor gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mangels feststellbarer Pflichtverletzung zurückgewiesen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft müsse jedoch Honorare in Höhe von gut zwei Millionen Euro zurückzahlen (Az.: 4 U 4/17).

Insolvenzverwalter: Wirtschaftsprüfer hätten auf Insolvenzreife hinweisen müssen

Der Kläger forderte als Insolvenzverwalter von Arcandor (Schuldnerin) von der beklagten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schadensersatz sowie die Rückzahlung erhaltener Honorare. Die Beklagte beriet die Schuldnerin im Jahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2009 im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Sanierung der Schuldnerin auf Basis von zwei Verträgen aus dem Jahr 2008 und vom April 2009. Die Beklagte übergab der Schuldnerin zuletzt am 20.05.2009 ein so bezeichnetes "Sanierungskonzept". Am 09.06.2009 stellte die Schuldnerin einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Kläger meinte, die Beklagte habe pflichtwidrig nicht auf eine Insolvenzreife der Schuldnerin hingewiesen. Infolge der verzögerten Insolvenzantragstellung sei ein erstattungsfähiger Schaden von rund 82 Millionen Euro entstanden. Zudem forderte der Kläger knapp 3,5 Millionen Euro an Honoraren zurück, die die Beklagte im Jahr 2009 erhalten hat. Das Landgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Dagegen hatte der Kläger Berufung eingelegt.

OLG: Pflichtverletzung der Beklagten nicht feststellbar

Die Berufung des Klägers hatte hinsichtlich der geltend gemachten Schadensersatzansprüche keinen Erfolg. Laut OLG lässt sich keine schadensbegründende Pflichtverletzung der Beklagten wegen eines unterlassenen Hinweises auf eine frühere Insolvenzreife feststellen. Die Schuldnerin sei insbesondere nicht wegen unbeglichener Verlustausgleichsansprüche ihrer Tochtergesellschaften bereits im September 2008 zahlungsunfähig gewesen. Aus der fehlenden Erfüllung der Ansprüche könne nicht schematisch auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. Diese Ansprüche seien vielmehr tatsächlich gestundet und damit im insolvenzrechtlichen Sinne nicht fällig gewesen. Auf eine mögliche konzernrechtliche Unzulässigkeit dieser Stundung komme es dabei nicht an, so das OLG.

Beklagte musste Insolvenzreife auch nicht prüfen

Das OLG verneint eine schadensersatzbegründende Pflichtverletzung der Beklagten auch für den Fall, dass die Ansprüche insolvenzrechtlich fällig gewesen wären. Die Beratungsverträge aus dem Jahr 2008 enthielten keine Verpflichtung der Beklagten, die Frage einer Insolvenzreife wegen einer konzernrechtlichen Unzulässigkeit der Stundung der Verlustausgleichsansprüche eigenständig zu prüfen. Die Verträge verwiesen vielmehr auf einen "abschließenden Pflichtenkatalog". Auch wenn die Erarbeitung eines Sanierungskonzepts im Ergebnis nur sinnvoll sein könne, wenn keine Insolvenzreife des zu sanierenden Unternehmens bestehe, folge daraus nicht die Verpflichtung, eigenständig eine mögliche Insolvenzreife zu prüfen. Es sei vielmehr möglich, dass die Schuldnerin die Prüfung von Insolvenzgründen intern durchführen wollte. Die Beklagte habe auch nicht auf die Notwendigkeit, Insolvenzgründe zu prüfen, hinweisen müssen. Sie habe vielmehr davon ausgehen dürfen, dass die spätere Insolvenzschuldnerin als Obergesellschaft eines Konzerns hinsichtlich ihrer die Insolvenzreife betreffenden Prüfungspflicht keiner Belehrung bedurfte. Dies gelte in besonderer Weise, da sie anwaltlich beraten war. Ob der Beratungsvertrag aus dem Jahr 2009 im Ergebnis eine Verpflichtung der Beklagten enthalten habe, die Insolvenzreife zu prüfen, könne offenbleiben. Der Kläger habe jedenfalls nicht dargestellt, dass im Falle eines derartigen Hinweises der Beklagten der Insolvenzantrag tatsächlich früher gestellt worden wäre.

Beklagte muss aber etwa zwei Millionen Euro an Honoraren zurückzahlen

Die Berufung hatte aber hinsichtlich der Honorarrückzahlung teilweise Erfolg. Das OLG hat die Beklagte zur Rückzahlung der ab dem 20.05.2009 erhaltenen Honorare in Höhe von gut zwei Millionen Euro verurteilt. Diese Zahlungen hätten eine Benachteiligung der anderen Gläubiger bewirkt und unterlägen deshalb der Insolvenzanfechtung. Zum Zeitpunkt dieser Zahlungen sei dem Vorstand der späteren Schuldnerin bekannt gewesen, dass die notwendige Finanzierung der weiteren Geschäftstätigkeit nicht mehr gesichert gewesen sei. Dies habe auch die Beklagte nach Fertigstellung ihres Sanierungskonzeptes gewusst. Frühere Zahlungen unterlägen dagegen nicht der Anfechtung. Der Kläger habe nicht vorgetragen, dass die Schuldnerin mit diesen Zahlungen andere Gläubiger benachteiligen wollte und die Beklagte entsprechende Kenntnis von diesem Vorsatz hatte.

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17.01.2018 - 4 U 4/17

Redaktion beck-aktuell, 22. Januar 2018.

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