OLG Frankfurt am Main: Früher Tod des Veräußerers macht Hauskauf mit Wohnrecht und Pflegeverpflichtung nicht ungültig

Vereinbaren die Vertragsparteien bei einem Grundstückskaufvertrag ein Wohnrecht für den Veräußerer und eine Pflegeverpflichtung für die Erwerberin, führt der Tod des Veräußerers nur wenige Wochen nach Vertragsschluss nicht zu einem Zahlungsanspruch der Erben zum Ausgleich für das infolge des Todes gegenstandslos gewordene Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung. Die Kaufvertragsparteien hätten sich vielmehr beide im Ungewissen befunden, wie lange der Verkäufer leben und ob er pflegebedürftig werden würde, sodass kein Raum für eine ergänzende Vertragsauslegung bestehe, begründete das Oberlandesgericht Frankfurt am Main seinen Beschluss vom 06.05.2019 (Az.: 8 W 13/19).

Erblasser verkaufte Haus gegen Wohnrecht und Pflege an Nichte

Die Antragstellerin ist Erbin ihres 2014 verstorbenen Bruders. Dieser hatte im Frühjahr 2014 seinen Grundbesitz an seine Nichte, die Antragsgegnerin, verkauft. Nach den vertraglichen Regelungen erhielt der Bruder ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht. Die Nichte verpflichtete sich zudem zur Pflege des Erblassers im häuslichen Bereich, solange dies für sie möglich und zumutbar war. Nach Berücksichtigung der Grundbuchbelastung und des kapitalisierten Wohnrechts unter Übernahme der kapitalisierten Pflegeleistungen zahlte die Nichte noch 10.000 Euro.

Erbin fordert Zahlung für ungenutztes Wohnrecht und nicht erbrachte Pflege

Knapp drei Wochen nach Abschluss dieses Kaufvertrages verstarb der Erblasser überraschend. Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Kaufvertrag sei im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung so zu verstehen, dass die Nichte zur Zahlung der kapitalisierten Werte für das nicht genutzte Wohnrecht und die nicht erbrachten Pflegeleistungen verpflichtet sei. Das Landgericht wies ihren Antrag auf Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Zahlungsklage zurück. Die Antragstellerin legte Beschwerde ein.

OLG: Vertragsparteien waren sich der Unwägbarkeiten bewusst

Das Oberlandesgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag abgelehnt. Auch nach großzügigen Maßstäben bestehe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin keine hinreichende Erfolgsaussicht. Voraussetzung für eine ergänzende Vertragsauslegung sei eine Lücke im Regelungskonzept des Vertrags, die geschlossen werden müsse. Daran fehle es hier bereits. Beide Seiten hätten sich bei Abschluss im Ungewissen darüber befunden, wie lange der Verkäufer (der Erblasser) leben und ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrages werden würde. Die Nichte sei das Risiko eingegangen, dass sie - sofern der Erblasser sehr alt werde, gleichzeitig aber bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig - über einen sehr langen Zeitraum Pflegeleistungen erbringen müsse. Umgekehrt sei der Erblasser das Risiko eingegangen, dass er im Fall seines frühen Todes sein Grundstück an die Nichte überlassen habe, obwohl sie ihn nicht pflegen und ein Wohnrecht nur für kurze Zeit habe erdulden müssen.

Kein Wegfall der Geschäftsgrundlage

Es sei kein Grund ersichtlich, warum im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung deswegen eingegriffen werden sollte, da sich das Risiko des Erblassers zu einem sehr frühen Zeitpunkt realisiert habe. Auch im umgekehrten Fall, wenn die Nichte ihre Verpflichtungen für einen sehr langen Zeitraum hätte erfüllen müssen, hätte kein Anlass für eine ergänzende Vertragsauslegung bestanden. Raum für eine Anpassung des Vertrages nach den sogenannten Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bestehe ebenfalls nicht. Bei der Vereinbarung eines lebenslangen Wohnungsrechts müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass der Berechtigte sein Recht wegen Krankheit und Pflegebedürftigkeit nicht bis zu seinem Tod ausüben könne. Für den Tod des Berechtigten könne insoweit nichts anderes gelten. Gleiches gelte für die Pflegeverpflichtung. Auch hier müsse jeder Vertragsteil grundsätzlich damit rechnen, dass diese Verpflichtung infolge des Todes des Berechtigten bereits kurze Zeit nach dem Abschluss des Vertrages gegenstandslos werde.

OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 06.05.2019 - 8 W 13/19

Redaktion beck-aktuell, 18. Juni 2019.