In einem zivilrechtlichen Streit um die Räumung eines Gartengrundstücks hatte die – als Einzelrichterin tätige – Vorsitzende Richterin am Landgericht Frankfurt a. M. irrtümlich einen unvollständigen, jedoch unterschriebenen Urteilsentwurf an die Parteien versendet. Dessen Inhalt bestand aus einem vollständigen Tenor zugunsten des Klägers, einem fragmentarischen Tatbestand und ebensolchen Entscheidungsgründen sowie der Kostenentscheidung zulasten der Beklagten.
Die Richterin teilte nachträglich mit, dass ein anderer Beschluss mit einem neuen Termin verkündet worden sei und der Entwurf unbeachtlich bleiben solle. Eine der Beklagten stellte daraufhin einen Befangenheitsantrag, den das LG zunächst zurückwies. Auf deren sofortige Beschwerde hob das OLG diese Entscheidung nun auf und erklärte den Antrag für begründet (Beschluss vom 04.06.2025 – 9 W 13/25).
Weiteres Verfahren nur noch pro forma?
Obwohl die Einzelrichterin kurze Zeit später eine dienstliche Erklärung nachgeschoben, in der sie das Dokument als "unvollständige(n) Entwurf" und damit als gegenstandslos bezeichnet habe, sah das OLG-Kollegium einen gewichtigen Grund zur Ablehnung. Eine vernünftig denkende Partei könne davon ausgehen, dass sich die Richterin in der Sache bereits festgelegt habe und die weitere Verfahrensführung nur noch der nachträglichen Begründung des Ergebnisses diene, so das Gericht.
Das OLG stützte seine Entscheidung auf § 42 Abs. 2 ZPO, wonach ein Richter oder eine Richterin abgelehnt werden kann, wenn objektive Gründe Zweifel an seiner oder ihrer Unvoreingenommenheit wecken. Maßgeblich sei dabei nicht die innere Haltung der Richterin, bzw. des Richters, sondern die Sichtweise einer vernünftigen Partei. Diese könne in der versehentlichen Übersendung eines bereits ausformulierten, signierten Urteilsentwurfs zu Recht den Eindruck gewinnen, das Verfahren sei nur noch pro forma, der Ausgang bereits entschieden.
Spätere Beteuerung reicht nicht
Ein solcher Anschein, so die Richterinnen und Richter der Mainmetropole weiter, könne nicht durch spätere Erklärungen geheilt werden – gerade dann, wenn der Eindruck der Voreingenommenheit wie hier durch formale Dokumente wie einen signierten Urteilsentwurf genährt werde. Die Tatsache, dass die Richterin als Einzelrichterin tätig war, verstärke diesen Eindruck, sodass der übersandte Entwurf – anders als in einer Kammer – nicht als bloßer interner Diskussionsvorschlag gewertet werden könne. Das hierdurch erzeugte Misstrauen aufseiten der Beklagten könne weder durch die entsprechenden dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richterin beseitigt werden noch durch den Umstand, dass der Urteilsentwurf keine rechtlichen Wirkungen entfalten konnte. Auch spiele es keine Rolle, ob die Richterin oder ihre Geschäftsstelle für die fehlerhafte Versendung verantwortlich gewesen sei.
Weitere vom Beklagten vorgebrachte Befangenheitsgründe – etwa zur Verhandlungsführung oder zur Ablehnung einer Videoverhandlung nach § 128a ZPO – ließ der Senat dahinstehen, da die versehentliche Übersendung bereits für sich genommen zur Begründung ausreiche.