Kollision nach Spurwechselabbruch: Auffahrender haftet nicht allein

Ein Autofahrer will die Spur wechseln, entscheidet sich unvermittelt anders und schert wieder in die ursprüngliche Fahrbahn ein. Dabei bremst er heftig und es kommt zu einem Auffahrunfall. Das OLG Frankfurt a.M. hält den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis für entkräftet.

Der vorausfahrende Fahrer sei mitverantwortlich für den Unfall, meinten die Richterinnen und Richter und nahmen eine Haftungsverteilung von 50% zu 50% an.

Der Unfall hatte sich auf einer Autobahn ereignet. An einer Stelle, an der sich die Fahrbahn wegen einer Baustelle verengte, leitete der Fahrer eines Ford einen Wechsel auf die mittlere Spur ein. Nachdem er den Fahrbahnwechsel etwa zur Hälfte vollzogen hatte, kehrte er zurück auf die linke Spur und bremste dort für maximal eine Sekunde bis zum Stillstand ab. Der hinter dem Ford fahrende Autofahrer konnte nicht rechtzeitig reagieren und fuhr auf. An dem Ford entstand ein Schaden von knapp 60.000 Euro.

Haftung hälftig aufzuteilen

Das OLG Frankfurt a.M. entschied, dass beide Unfallbeteiligten hälftig haften (Urteil vom 29.04.2025 – 9 U 5/24). Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis greife hier nicht ein. Die Verkehrslage sei unklar gewesen, der Ablauf atypisch: Der Fahrer des Ford habe den bereits zur Hälfte ausgeführten Spurwechsel ohne Blinken abgebrochen und sei unvermittelt auf die linke Spur zurückgekehrt, wo er sofort abgebremst habe. Er habe selbst ausgesagt, das hinter ihm fahrende Fahrzeug nicht gesehen zu haben. Daher ging das OLG davon aus, dass er sich vor seinem "Schlenker" nicht ausreichend über den rückwärtigen Verkehr auf der linken Spur informiert habe. Der Auffahrunfall habe sich in unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem gescheiterten Spurwechsel ereignet. Er sei durch den kurzen Stillstand des Fords – zwischen einer halben und maximal einer Sekunde – auch nicht unterbrochen worden.

Von einem alleinigen Verschulden des Ford-Fahrers wollte das OLG indes nicht ausgehen: Aufgrund der unklaren Verkehrslage und des dichten Verkehrsaufkommens sei mit dem abrupten Abbremsen vorausfahrender oder die Spur wechselnder Fahrzeuge "jederzeit" zu rechnen gewesen.

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 29.04.2025 - 9 U 5/24

Redaktion beck-aktuell, cil, 28. Mai 2025.

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