OLG Düsseldorf: Abrechenbarkeit von Reparaturkosten eines vor Ablauf der 6-Monatsfrist gepfändeten und versteigerten reparierten Fahrzeugs

BGB § 249

Eine Abrechnung von Reparaturkosten aus einem Unfall bis zur 130%-Grenze kommt auch dann in Betracht, wenn das reparierte Fahrzeug vor Ablauf der 6-Monatsfrist gepfändet und versteigert wird. Denn für das erforderliche Integritätsinteresse ist nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf maßgeblich, ob es bei Erteilung des Reparaturauftrages bestand, ob also der Geschädigte zu diesem Zeitpunkt den Willen besaß, sein Fahrzeug weiterhin zu nutzen.

OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.12.2019 - I-1 U 162/18 (LG Duisburg), BeckRS 2019, 38074

Anmerkung von
Senator E. h. Ottheinz Kääb, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 5/2020 vom 12.03.2020

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Sachverhalt

Im April erlitt der damalige Eigentümer eines Golfs einen Verkehrsunfall, den unstreitig die Beklagte zu vertreten hat. Der Eigentümer begab sich zum Zweck der Reparatur in die Werkstatt der Klägerin. Diese beauftragte einen Sachverständigen, der zu dem Ergebnis kam, dass die Reparaturkosten brutto 11.827,05 EUR ausmachen bei einem Wiederbeschaffungswert von 9.900 EUR und einem Restwert von 4.000 EUR. Daraufhin ließ der damalige Eigentümer bei der Klägerin das Fahrzeug reparieren und er trat die Reparaturkosten an die Klägerin ab. Dem Zedenten wurden für die Reparatur schließlich 11.912,27 EUR berechnet.

Die Beklagte rechnete auf Totalschadenbasis ab und zahlte den Wiederbeschaffungswert netto abzüglich des Restwerts. Der Zedent verlangte auch den Rest. Vor Gericht wandte die Beklagte ein, dass der Zedent das Fahrzeug nicht mehr habe. Er habe das Fahrzeug nach der Reparatur keine 6 Monate genutzt und damit sein Integritätsinteresse nicht kundgetan. Das Fahrzeug sei durch Zwangsversteigerung bereits im April/Mai 2016 verwertet worden. Den Vollstreckungsauftrag habe die Stadt erteilt. Dort seien aus einem Bußgeldbescheid in anderer Sache gegen den damaligen Eigentümer Forderungen offen gewesen, daher sei das Fahrzeug versteigert worden. Der Zedent erwiderte, dass er von dem Bußgeldbescheid Kenntnis habe, dass aber das Fahrzeug einfach abgeschleppt und sehr zügig versteigert worden sei. Er habe dies nicht verhindern können. Fahrzeugbrief und –schlüssel habe er nach wie vor in Händen gehabt.

Das Landgericht hatte den Klageanträgen bis auf die Zinsen entsprochen. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Rechtsprechung des BGH bezüglich der 6-Monats-Frist völlig eindeutig sei. Dass das Fahrzeug versteigert worden sei, sei dem Einflussbereich des seinerzeitigen Eigentümers zuzurechnen. Die 130%-Regelung sei eine Ausnahme und müsse streng betrachtet werden.

Rechtliche Wertung 

Das OLG folgt dem Erstgericht, die Berufung hat somit keinen Erfolg. Der Senat vernahm den Geschäftsführer der Klägerin, der Zedent wurde als Zeuge vernommen.

Mit der Erteilung des Reparaturauftrags sei die Abtretung erfolgt, so das Gericht. Über die 130%-Regelung sei man sich im Klaren gewesen, die 30%-Grenze sei auch nicht überschritten worden. Die weitere Nutzung des Fahrzeugs über mindestens 6 Monate hinaus sehe der BGH nur als Indiz für das Integritätsinteresse.

Im konkreten Fall sei der Zedent in bedrängte finanzielle Verhältnisse geraten, weil er arbeitslos geworden sei. Sowohl der Geschäftsführer der Klägerin wie auch der Zedent hätten angegeben, dass der Reparaturauftrag nie und nimmer erteilt worden wäre, wenn Zweifel bestanden hätten, ob die Reparatur auch bezahlt werden kann. Der Zeuge hat darüber hinaus vor dem Senat angegeben, dass er beim besten Willen nicht wisse, wie es zur Pfändung gekommen sei. Das Fahrzeug sei plötzlich nicht mehr da gewesen und ein Nachbar habe ihm gesagt, das Fahrzeug sei abgeschleppt worden. Die Polizei habe keine Auskunft erteilen können. Jedenfalls im Zeitpunkt der Erteilung des Reparaturauftrags habe er von einer Pfändung nichts gewusst. Er habe sich zur damaligen Zeit bemüht, die Summe für den Bußgeldbescheid aufzubringen. Die Versicherung für das Fahrzeug habe seine Mutter bezahlt.

Die Ausführungen über die Weiternutzungsabsicht haben den Senat überzeugt. Die Angaben des Zeugen und die des Geschäftsführers seien übereinstimmend und widerspruchsfrei. Damit stehe fest, dass die feste Absicht bestanden habe, das Fahrzeug tatsächlich weiter zu benutzen. Damit sei gegen die Anwendung der 130%-Regel nichts einzuwenden.

Praxishinweis

Die Entscheidung wird hier vorgestellt, weil über die 130%-Regelung schon recht viel Streit besteht. Es sind aber immer wieder neue Facetten, die der Regelung durch ein Urteil bedürfen. Eine solche Entscheidung liegt hier vor. Die Entscheidung setzt sich mit der Rechtsprechung eingehend auseinander und zeigt die Ausnahme, die es zu regeln galt, deutlich auf.

Redaktion beck-aktuell, 13. März 2020.