OLG Dresden: Alleinhaftung für Verletzung durch zu schnelle und zu enge Vorbeifahrt an liegengebliebener Arbeitsmaschine

PflVG § 1; VVG § 115 I Nr. 1; StVG §§ 7 I, 9, 17 III, 18 I; BGB §§ 253 II, 254, 280 I, 280 II, 286 I, 288 I; StVO §§ 1, 3 I

Wer mit seinem Pkw in zu geringem Seitenabstand und zu schnell an einer liegengebliebenen Arbeitsmaschine vorbeifährt und dabei einen erkennbar mit dem Fahrzeug beschäftigten Pannenhelfer erfasst, haftet allein, auch wenn der Pannenhelfer unmittelbar vor der Kollision einen Schritt in Richtung der Fahrbahnmitte gemacht hat. Dies hat das Oberlandesgericht Dresden entschieden.

OLG Dresden, Urteil vom 28.04.2017 - 6 U 1780/16 (LG Chemnitz), BeckRS 2017, 120487

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 17/2017 vom 31.08.2017

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Sachverhalt

Der Beklagte fuhr innerorts mit einer Geschwindigkeit von 50 km/h auf eine am rechten Fahrbahnrand liegengebliebene Arbeitsmaschine zu und erfasste den Kläger, der dort Starthilfe leistete. Der Seitenabstand, den der Beklagte bei der Vorbeifahrt von der Arbeitsmaschine einhielt, lag unter einem Meter. Das Landgericht hielt ihn für überwiegend verantwortlich und ging von einer Haftungsquote 80:20 zu Gunsten des Klägers ausgegangen. Dieser ging gleichwohl in die Berufung und hatte Erfolg.

Rechtliche Wertung

Das Oberlandesgericht geht von der vollen Haftung des Beklagten aus. Dessen Verhalten sei verkehrswidrig, weil er gegen §§ 13 Abs. 1 StVO verstoßen habe.

Sein Verhalten sei verkehrswidrig und grob rücksichtslos gewesen, denn sowohl die Maschine wie auch der dort hantierende Kläger seien deutlich zu sehen gewesen.

Bei der Höhe des Schmerzensgeldes wirke sich erhöhend das Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung des Beklagten aus. Denn diese habe erst nach der erstinstanziellen Verurteilung und damit erst annähernd vier Jahre nach dem Unfall eine erste Abschlagszahlung überwiesen.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist für die Praxis wesentlich. Haftungsquoten sind natürlich stets auf der Grundlage des Einzelfalls zu entscheiden und zu beurteilen. Die Entscheidung hier ist deshalb besonders interessant, weil ein Mitverschulden des auf der Fahrbahn befindlichen Fußgängers verneint wurde. Als zu schwerwiegend empfand das OLG das rücksichtslose Vorgehen des Beklagten.

Redaktion beck-aktuell, 6. September 2017.