OLG Celle veröffentlicht "Strafkammerbericht" mit Daten aus über 11.000 Strafverfahren

Das Oberlandesgericht Celle hat Daten über 11.000 Strafverfahren, die fünf Jahre lang von Landgerichten gesammelt wurden, ausgewertet und in einem "Strafkammerbericht" zusammengefasst. Dies teilte das OLG am 04.01.2018 mit. Die Ergebnisse lieferten Hinweise für die Gerichtsorganisation und Geschäftsverteilung sowie für die Reform des Strafprozesses, so das Gericht.

Erweiterte Datenerfassung

Laut OLG haben sich in der Spitze 22 Landgerichte aus sechs Bundesländern, darunter alle Landgerichte aus dem Oberlandesgerichtsbezirk Celle an der Untersuchung beteiligt, die den Zeitraum von 2009 bis 2014 umfasse. Über die üblichen Statistikdaten hinaus hätten die Landgerichte Daten erfasst, die sich aus den Protokollen der Hauptverhandlungen oder richterlichen Verfügungen ergäben, wie etwa die Anzahl von Angeklagten und Verteidigern, die Zahl der Hauptverhandlungstage und deren Dauer, die Zahl der Befangenheitsanträge oder den Aktenumfang.

Allgemeine Nichthaftsachen dauern doppelt so lange wie allgemeine Haftsachen

Als wesentliche Erkenntnisse der Datenauswertung hält das OLG unter anderem fest: Nichthaftsachen vor allgemeinen Strafkammern und Jugendstrafkammern dauerten durchschnittlich doppelt so lange (300 Tage zwischen Eingang der Anklage bei Gericht und abschließender Entscheidung) wie Haftsachen. Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern dauerten nochmal doppelt so lange. Bei einzelnen Gerichten gebe es einen deutlichen Zusammenhang zwischen einem hohen Schwierigkeitsgrad der Verfahren, der unter anderem anhand von Umfang der Akten und Zahl der Anklagten ermittelt worden sei, und der Verfahrenslaufzeit.

Verfahrensdauer allgemeiner Haftsachen gestiegen

Die durchschnittliche Anzahl der Hauptverhandlungstage in Haftsachen vor den allgemeinen Strafkammern sei im Erhebungszeitraum von 4,7 auf 5,2 Tage gestiegen. Dabei sei der Anteil von Verfahren mit mehr als 11 Zeugen pro verhandeltem Haftverfahren vor den Strafkammern und Schwurgerichten von 28% auf 37% gestiegen. Hingegen sei der Anteil an kleinen Verfahren mit geringem Aktenumfang von 54% auf 37% gesunken, während der Anteil von umfangreichen Verfahren von 16% auf 24% gestiegen sei. Dabei gebe es allerdings zwischen den einzelnen Gerichten große Unterschiede.

Häufig Vollstreckungsabschläge wegen langer Verfahrensdauer in Wirtschaftssachen

Wegen der Verfahrensdauer sei in Haftsachen vor den allgemeinen Strafkammern und den Jugendstrafkammern in weniger als zwei Prozent der Fälle das Strafmaß im Wege eines Vollstreckungsabschlages reduziert worden. In Nichthaftsachen vor den Wirtschaftsstrafkammern dagegen habe der Anteil im Erhebungszeitraum zwischen einem Drittel und einem Viertel der Verfahren gelegen.

Allgemeine Strafkammern entscheiden öfter mit drei Berufsrichtern

Der Anteil der Haftsachen, die vor den allgemeinen Strafkammern in einer Kammerbesetzung mit nur zwei statt mit drei Berufsrichtern verhandelt worden sei, sei von 2009 bis 2014 kontinuierlich und erheblich von 79%auf 49% gesunken. Gleiches gelte für die Nichthaftsachen. Dort sei der Anteil der in Zweierbesetzung verhandelten Verfahren von 84% auf 64% gesunken.

Zahlreiche Befangenheitsanträge in Haftverfahren

Bei einzelnen Gerichten liege der Anteil an Haftverfahren, in denen Befangenheitsanträge gestellt würden, bei über 10%. Jeder Befangenheitsantrag löse ein zeitaufwändiges und kompliziertes Prozedere aus. Deshalb seien sowohl vom ersten, als auch vom zweiten bundesweiten Strafkammertag verfahrensrechtliche Vereinfachungen gefordert worden, die auch im Strafkammerbericht dargestellt würden.

Redaktion beck-aktuell, 5. Januar 2018.