Urteilszustellung dauerte zwei Monate: Untersuchungshaft nicht mehr gerechtfertigt

Weil ein Gericht für die Zustellung eines Urteils Monate brauchte, hat das OLG Braunschweig einen Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen gesehen und die Untersuchungshaft eines Mannes beendet.

Der Mann war seit September 2023 in Untersuchungshaft gewesen. Zwischenzeitlich verurteilte ihn das LG Braunschweig wegen Handeltreibens mit Cannabis sowie Beihilfe dazu zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Dabei ordnete das Gericht die Fortdauer der Untersuchungshaft an, denn das Urteil war noch nicht rechtskräftig.

Obwohl die Urteilsgründe schon ausgefertigt waren, brauchte die Vorsitzende Richterin noch zwei weitere Monate für das Hauptverhandlungsprotokoll, sodass das Urteil erst rund sechs Wochen nach dem frühestmöglichen Termin zugestellt werden konnte. Den Antrag des Inhaftierten, den Haftbefehl auszusetzen, lehnte die Richterin trotzdem ab. Dagegen wehrte er sich erfolgreich mit einer Haftbeschwerde.

OLG: Keine Rechtfertigung ersichtlich

Die Fortdauer der Untersuchungshaft sei vor dem Hintergrund der eingetretenen Verfahrensverzögerung nicht gerechtfertigt, entschied der Senat. Das entschied das OLG Braunschweig (Beschluss vom 24. April 2025 – 1 Ws 105/25). Der zuständige Strafsenat führte aus, das LG habe es versäumt, das Hauptverhandlungsprotokoll rechtzeitig zu erstellen. Das Protokoll sei jedoch für die Zustellung des Urteils ebenfalls erforderlich ist (§?273 Abs. 4 StPO).

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Verzögerung sei laut Gericht nicht ersichtlich gewesen. Die Verfahrensverzögerung verletze den Beschleunigungsgrundsatz in Haftsachen, der auf dem Grundrecht auf Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in Verbindung mit Art. 104 GG beruhe, so die Richterinnen und Richter. Dieser verlangt von Strafverfolgungsbehörden und Gerichten, "alle möglichen und zumutbaren Maßnahmen" zu ergreifen, um Verfahren mit Freiheitsentzug schnellstmöglich abzuschließen. Angesichts der langen Dauer der Untersuchungshaft von 19 Monaten sei deren Fortdauer nicht mehr verhältnismäßig gewesen.

OLG Braunschweig, Beschluss vom 24.04.2025 - 1 Ws 105/25

Redaktion beck-aktuell, cil, 25. April 2025.

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