Ex-Anwalt will Strafprozess verzögern und verletzt sich im Gericht selbst

Um einer Gerichtsverhandlung zu entgehen, hat sich ein ehemaliger Rechtsanwalt in Hamburg mit einem Messer mutmaßlich selbst verletzt. Es sei möglich, dass der 56 Jahre alte Mann damit ein Berufungsverfahren gegen ihn hinaus zögern wollte, sagte ein Sprecher des Landgerichts am 29.10.2019 in Hamburg. Der Mann löste damit einen Großeinsatz der Polizei aus. Die war zunächst von einem anderen Szenario ausgegangen.

Polizei ging zunächst von flüchtigem Täter aus 

Der Mann war laut LG-Sprecher am Morgen im Eingangsbereich des LG zusammengebrochen, nachdem er durch ein Messer verwundet worden war. Weil die Polizei zunächst von einem flüchtigen Täter ausgegangen war, hatte sie eine Großfahndung inklusive Hubschraubereinsatz gestartet. Im Zuge dieser Suche konnten die Hamburger U- und S-Bahnen zwischenzeitlich mehrere Haltestellen nicht anfahren und fuhren ohne Halt an der mutmaßlichen Gefahrenzone vorbei.

Strafverfahren wegen Veruntreuung von Mandantengeldern

Im Laufe des Vormittags zeigten die Ermittlungen jedoch, dass der Mann sich die Verletzungen auch selbst zugefügt haben könnte, um seiner Gerichtsverhandlung zu entgehen. Dafür spreche die Vorgeschichte des Mannes, wie der Gerichtssprecher dazu sagte. Demnach handelt es sich bei dem Opfer um einen ehemaligen Rechtsanwalt, der Anfang des Jahres vom Amtsgericht Hamburg wegen Veruntreuung von Mandantengeldern zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt worden war. Der ehemalige Verteidiger hatte zwei Mandanten nur einen Teil der insgesamt 500.000 Euro aus Nachlassverfahren ausgezahlt, einen Großteil aber für sich behalten.

Bereits AG-Verfahren durch wiederholte Krankmeldung verzögert

Gegen das Urteil hatte der 56-Jährige Berufung eingelegt – das Verfahren sollte am 29.10.2019 beginnen. Da der Angeklagte allerdings schon zuvor die amtsgerichtlichen Verhandlungen durch wiederholte Krankmeldung verzögert habe, sei an diesem Morgen ein Arzt im Gerichtsgebäude gewesen. Dieser habe dann den Verletzten identifizieren können.

Berufung nach Erhärtung der Zweifel an Fremdeinwirkung verworfen

Am Nachmittag hatte das Gericht die Berufung verworfen, weil Zeugenaussagen die Zweifel des Gerichts an einer Fremdeinwirkung erhärtet hatten. Der nur leicht verletzte Angeklagte soll einem Polizeibeamten zufolge bei der Vernehmung in der Klinik keine Erinnerungen an den Tathergang gehabt haben.

Entscheidung noch nicht rechtskräftig

Die Entscheidung des AG ist trotzdem noch nicht rechtskräftig: Der 56-Jährige kann dem Gerichtssprecher zufolge gegen das Verwerfungsurteil noch Revision einlegen. In Betracht kommt auf Antrag auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sollte die Theorie der Selbstverletzung doch noch entkräftet werden. Dann wird das Verfahren in die Lage zu Beginn der Hauptverhandlung zurückversetzt.

Redaktion beck-aktuell, 30. Oktober 2019 (dpa).