London legt Brexit-Papiere vor – Anhörung zu Parlamentspause endet

Das oberste britische Gericht will Anfang nächster Woche eine Entscheidung zu der von Premierminister Boris Johnson auferlegten Zwangspause des britischen Parlaments treffen. Die dreitägige Anhörung ging am 19.09.2019 zu Ende. Im Streit zwischen London und Brüssel über den Brexit-Vertrag zeigt sich inzwischen etwas Bewegung. Die britische Regierung reagierte auf den Wunsch der EU nach "schriftlichen Vorschlägen" erstmals mit Papieren. Für den 20.09.2019 ist eine Verhandlungsrunde angekündigt.

John Major war in Verfahren aufgetreten

In dem Londoner Gerichtsverfahren zur Parlaments-Zwangspause war unter anderen der ehemalige Premierminister John Major aufgetreten. Die elf Richter des Supreme Courts müssen entscheiden, ob sie in den Streit zwischen Parlament und Regierung eingreifen. Falls sie diesen Weg wählen, stünde ein Urteil darüber an, ob Johnson gegen das Gesetz verstoßen hat, als er bei Queen Elizabeth II. eine fünfwöchige Parlamentspause erwirkte.

Niederlage dürfte zu Rücktrittsforderungen führen

Kläger-Anwalt Lord David Pannick forderte in seinem Schlussplädoyer, dass die Abgeordneten "so bald wie möglich nächste Woche" wieder zusammentreten. Regierungsanwalt Lord Richard Keen warnte das Gericht hingegen vor einer solchen Entscheidung. Es handle sich um "verbotenes Terrain" für die Gerichtsbarkeit. Eine Niederlage vor Gericht wäre ein schwerer Schlag für den Regierungschef und dürfte zu Rücktrittsforderungen führen.

Rein politische Angelegenheit?

Das oberste schottische Gericht hatte Johnson vergangene Woche vorgeworfen, die Königin über seine wahren Absichten für die Parlamentspause getäuscht zu haben. Der High Court in London hatte dagegen die Klage abgelehnt. Ihm zufolge handelt es sich um eine rein politische Angelegenheit. Beide Urteile sollten überprüft werden.

Gesetz gegen No-Deal-Brexit durch Parlament gepeitscht

Trotz Zwangspause, die in der Nacht zum 10.09.2019 in Kraft trat, konnte Johnson nicht verhindern, dass die Abgeordneten ein Gesetz gegen den No-Deal-Brexit durchs Parlament peitschten. Es verpflichtet den Premier zum Antrag auf eine Brexit-Verschiebung, sollte nicht rechtzeitig vor dem Brexit-Datum am 31.10.2019 ein Abkommen mit der EU ratifiziert sein. Dem will sich der Premier jedoch nicht beugen. Er droht mit einem ungeregelten EU-Austritt, sollte Brüssel seinen Forderungen nach Änderungen am Brexit-Vertrag nicht nachkommen.

Johnson will Backstop streichen

Johnson will den fertigen Austrittsvertrag vor allem in einem Punkt ändern: Die von der EU geforderte Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland will er streichen, den sogenannten Backstop. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte zuletzt konkrete Vorschläge aus London gefordert, wie der Backstop gleichwertig ersetzt werden kann. Am 19.09.2019 legte London nun erstmals schriftliche Dokumente zu den Änderungswünschen vor. Ob diese Papiere die von der EU gewünschten "schriftlichen Vorschläge" sind, müsse erst noch geprüft werden, sagte eine Kommissionssprecherin. Sie kündigte für den 20.09.2019 ein Treffen des britischen Brexit-Ministers Stephen Barclay mit EU-Chefunterhändler Michel Barnier an.

Gehalt eingereichter Dokumente noch unklar

Die britische Regierung nannte die übergebenen Dokumente "eine Reihe vertraulicher technischer Non-Papers, die die Ideen widerspiegeln, die Großbritannien bisher vorgebracht hat". Ein Regierungssprecher fügte hinzu: "Wir werden formale schriftliche Lösungen vorlegen, wenn wir bereit sind, nicht bis zu einer künstlichen Frist, und wenn die EU klar macht, dass sie konstruktiv über sie diskutieren will als Ersatz für den Backstop." Der derzeitige EU-Ratsvorsitzende, Finnlands Regierungschef Antti Rinne, hatte Johnson zuvor eine Frist bis Monatsende gesetzt, um Änderungswünsche am Brexit-Abkommen einzureichen. Sonst "ist es vorbei", wurde Rinne von der finnischen Nachrichtenagentur STT zitiert.

EU benötigt Zeit zur Bewertung der Texte

Ein EU-Diplomat erläuterte, der 30.09.2019 sei im Kreis der 27 verbleibenden Staaten zwar nicht konkret besprochen worden. Es sei aber Konsens, dass die EU genügend Zeit benötige, um Texte aus London intern zu bewerten und dann mit Großbritannien darüber zu verhandeln. Wenn man bis zum EU-Gipfel am 17.10.2019 Ergebnisse wolle, könnten die konkreten Pläne nicht erst zwei Tage vorher auf den Tisch kommen, sagte der Diplomat.

Redaktion beck-aktuell, 20. September 2019 (dpa).