LG Nürnberg-Fürth: Lebenslange Haft für "Reichsbürger" Wolfgang P.

Wegen tödlicher Schüsse auf einen Polizisten ist der “Reichsbürger“ Wolfgang P. zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden. Das Landgericht Nürnberg-Fürth wertete am 23.10.2017 die Tat des 50-Jährigen im mittelfränkischen Georgensgmünd als Mord und zweifachen versuchten Mord. Die Verteidiger hatten auf fahrlässige Tötung plädiert.

Angeklagter erschoss Beamten eines Spezialeinsatzkommandos

Der Angeklagte hatte bei einem Polizeieinsatz Mitte Oktober 2016 auf Beamte eines Spezialeinsatzkommandos geschossen. Dabei starb ein Polizist, zwei weitere wurden verletzt. Die Spezialeinheit sollte helfen, die rund 30 Jagdwaffen, die der “Reichsbürger“ als Jäger im Haus hatte, zu beschlagnahmen. Grund war, dass die Behörden den 50-jährigen nicht mehr für zuverlässig hielten. Der Angeklagte betrat den Gerichtssaal  mit einem Lächeln. Das Urteil nahm er regungslos zur Kenntnis.

Fall warf Schlaglicht auf “Reichsbürger“

Der Fall hat ein Schlaglicht auf die Bewegung der “Reichsbürger“ geworfen, die noch vor rund einem Jahr meist nur Insidern der Sicherheitsbehörden ein Begriff waren. Anhänger dieser Bewegung lehnen die Bundesrepublik, deren Organe und Behörden ab und akzeptieren keine amtlichen Bescheide. Der Angeklagte selbst hatte Anfang 2016 im Einwohnermeldeamt seinen Personalausweis abgegeben.

Verteidigung kritisierte Polizeinsatz als “dilettantisch“ und unnötig

Staatsanwalt Matthias Held hatte dem 50-Jährigen in seinem Plädoyer vorgeworfen, einen Angriff auf Polizisten von langer Hand geplant zu haben. Aus dem Hinterhalt habe er an jenem Morgen elfmal auf die Beamten geschossen - mit dem Ziel, möglichst viele von ihnen zu verletzen und zu töten. Dem widersprach Anwältin Susanne Koller und kritisierte den Einsatz als “dilettantisch“ und unnötig.

Verteidigung kündigt Revision an

Verteidigerin Susanne Koller kündigte an, das Urteil vom Bundesgerichtshof überprüfen zu lassen. Sie und ein Kollege hatten auf fahrlässige Tötung plädiert, was eine deutlich mildere Strafe bedeutet hätte.

Bayerns Innenminister findet Urteil "hart aber gerecht"

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezeichnete das Urteil als "hart" aber "gerecht" - angesichts der Schwere des brutalen Verbrechens. Er sei immer noch zutiefst erschüttert über den Mord. Seine Gedanken seien bei den Eltern, Angehörigen und Freunden des 32-Jährigen: "Denn der schreckliche Verlust eines geliebten Menschen kann durch kein Urteil wieder wettgemacht werden." Herrmann nahm das Urteil erneut zum Anlass, der "Reichsbürgerszene" den Kampf anzusagen: "Es gibt kein Wenn und Aber: Unser Rechtsstaat setzt sich durch", betonte er. Das Ministerium geht von rund 3250 "Reichsbürgern" in Bayern aus. Diese würden inzwischen auch verstärkt vom Verfassungsschutz beobachtet.

Grüne wollen Kampf gegen "Reichsbürger" fortsetzen

Nach Ansicht der Grünen-Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag, Katharina Schulze, kann das Urteil nur der Anfang im Kampf gegen die Bewegung sein. "Reichsbürger müssen schnell und konsequent entwaffnet werden", sagte Schulze. Die "Reichsbürger" seien keine harmlosen Spinner, auch wenn die CSU sie lange als solche abgetan habe.

Polizeigewerkschaften erleichtert

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) bezeichnete das Urteil als "einzig richtige Entscheidung". Auch die Feststellung des Gerichts, dass der Einsatz korrekt geplant wurde, sei wichtig und notwendig gewesen. "Es ist gut, dass das Gericht der befremdlichen Strategie der Verteidigung, diese Straftat als bloße Notwehr gegen vermeintliche Einbrecher hinzustellen, nicht gefolgt ist", sagte auch der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Hermann Benker. Das Urteil sei auch ein wichtiges Signal des Rechtsstaates, dass er sich von "Reichsbürgern" nicht auf der Nase herumtanzen lasse.

Redaktion beck-aktuell, 23. Oktober 2017 (dpa).