LG München I: Rechtsdienstleister Financialright für Schadensersatzklage gegen Lkw-Kartell nicht aktivlegitimiert

Die größte Schadenersatzklage gegen das europäische Lkw-Kartell ist gescheitert. Das Landgericht München I hat die Klage des Rechtsdienstleisters Financialright für mehr als 3.000 Spediteure auf fast 900 Millionen Euro abgewiesen. Die Forderungsabtretungen seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig, Financialright mithin nicht aktivlegitimiert (Urteil vom 07.02.2020, Az.: 37 O 18934/17).

Financialright verklagte Lkw-Kartell für 3.000 Spediteure

Die Lastwagenbauer MAN, Daimler, DAF, Iveco und Volvo/Renault hatten jahrelang Preislisten ausgetauscht. Die EU-Kommission hatte ihnen deshalb fast vier Milliarden Euro Bußgeld auferlegt. Die Klägerin, der Rechtsdienstleister Financialright, verklagte das Lkw-Kartell für mehr als 3.000 Spediteure aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz in Höhe von mindestens 603.125.156 Euro zuzüglich Zinsen. Die Spediteure hätten mittelschwere und schwere Lkw zu kartellbedingt überhöhten Preisen gekauft.

LG: Keine Aktivlegitimation – Forderungsabtretungen nichtig

Das LG hat die Klage abgewiesen. Die Abtretungen seien wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig. Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom November 2019 zu "www.wenigermiete.de“ (BeckRS 2019, 30591) nimmt das LG eine am Schutzzweck des RDG ausgerichtete Würdigung der Umstände des Einzelfalls einschließlich einer Auslegung der hinsichtlich der Forderungseinziehung getroffenen Vereinbarungen vor. Das RDG diene dem Schutz der Rechtssuchenden, des Rechtsverkehrs und der Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen.

Inkassoerlaubnis überschritten: Klägerische Leistungen von vornherein auf Klage ausgerichtet

Die Nichtigkeit ergebe sich zum einen daraus, dass die Rechtsdienstleistungen der Klägerin von vorneherein nicht auf eine außergerichtliche, sondern ausschließlich auf eine gerichtliche Tätigkeit gerichtet seien. Sie seien daher kein Inkasso im Sinn des RDG. Die Klägerin überschreite damit ihre Inkassoerlaubnis. Dies folge aus einer Gesamtschau der vertraglichen Regeln, des Auftretens der Klagepartei gegenüber ihren Kunden und der tatsächlichen Durchführung. So sei etwa das Angebot nach seinem Gesamteindruck auf die Beteiligung an einer Sammelklage gerichtet. Auch aus dem Internetauftritt der Klägerin folge, dass die Vertragspflichten der Klagepartei von vorneherein ausschließlich auf die gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche gerichtet seien. So hätten sich die Kunden der Klägerin zur Berücksichtigung ihrer Fahrzeugerwerbe in einer Klage angemeldet.

Bündelung gefährdet Kundeninteressen

Zum anderen verstößt die Rechtsdienstleistung der Klägerin laut LG deshalb gegen das RDG, weil die Erfüllung der Pflichten gegenüber den Kunden durch andere Leistungspflichten der Klagepartei unmittelbar beeinflusst und gefährdet werde. Eine wechselseitige Beeinflussung und Interessengefährdung ergebe sich zum einen im Verhältnis der Klägerin zu ihren jeweils einzelnen Kunden. Die Klägerin habe eine Vielzahl einzelner Rechtsverfolgungsverträge geschlossen, in denen sie sich unter anderem zur Bündelung und gemeinsamen Rechtsdurchsetzung verpflichtet habe. Durch die Bündelung der Ansprüche partizipierten die einzelnen Kunden – insbesondere diejenigen, deren Erfolgsaussichten grundsätzlich positiv erschienen – am Risiko, das mit der Erhebung der weniger aussichtsreichen Klagen verbunden sei.

Interessenbeeinträchtigung insbesondere bei Vergleich möglich

Eine Beeinträchtigung der Einzelinteressen könne sich insbesondere bei einem etwaigen Vergleich, dem die Kunden der Klägerin nicht zustimmen müssten, auswirken, erläutert das LG. Die Auszahlung der Vergleichssumme an die einzelnen Kunden erfolge nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin quotal und unabhängig von den konkreten Erfolgsaussichten. Da regelmäßig die Erfolgsaussichten einer Klage ein wesentliches Kriterium für die Verhandlungen mit den Beklagten seien, wäre eine Minderung der Vergleichssumme durch wenig aussichtsreiche Klagen eine konkrete Gefahr für diejenigen, deren Ansprüche bessere Erfolgschancen hätten.

Prozessfinanzierung gefährdet Kundeninteressen ebenfalls

Unmittelbarer Einfluss auf die Leistungserbringung und eine Gefährdung ergeben sich dem LG zufolge auch aus der Prozessfinanzierung. Die Klägerin habe mit einer im Ausland ansässigen Gesellschaft einen Prozessfinanzierungsvertrag abgeschlossen. Darin sei etwa geregelt, dass der Prozessfinanzierer einen bestimmten Anteil an der Erfolgsprovision der Klägerin (letztere betrage grundsätzlich 33 % zuzüglich Umsatzsteuer der tatsächlich auf die möglichen Kartellschadensersatzansprüche empfangenen Leistungen) erhalte. Da die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund der Prozessfinanzierungsvereinbarung von Kosten des Verfahrens vollständig freigestellt sei, könnten ihr kostenauslösende prozessuale Schritte weitgehend egal sein. An dieser Stelle bestehe jedoch die Gefahr, dass die Zweckmäßigkeitserwägungen des Prozessfinanzierers, an den die Klägerin regelmäßig berichten müsse, an die Stelle eigener Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Klägerin träten.

Gefahr sachfremden Einflusses des Prozessfinanzierers

Da es sich bei dem Prozessfinanzierer um ein ausländisches Unternehmen mit einer börsennotierten Muttergesellschaft handele, das unter Beobachtung von Analysten und Presse stehe, könnten hier andere Kriterien maßgeblich sein, als bei einem eigenfinanzierten Prozess. Aus der Abhängigkeit der Klägerin von der Prozessfinanzierung folge die konkrete Gefahr des Einflusses sachfremder Entscheidungskriterien auf die Art und Weise der Rechtsdurchsetzung, die den Interessen der Kunden der Klägerin zuwiderlaufe. Dabei werde nicht verkannt, dass die Vereinbarung eines Erfolgshonorars ein beträchtliches Eigeninteresse des Prozessfinanzierers an einer möglichst erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche der Zedenten begründe. Dies hindere in vorliegendem Fall die Annahme einer Interessenkollision jedoch nicht. Auch die Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des Schutzzweckes des Gesetzes und der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Klägerin sowie der Eigentumsgarantie der Zedenten führe zu einer Bewertung der Dienstleistung als verbotene Rechtsdienstdienstleistung.

Financialright wird in Berufung gehen

Financialright-Anwalt Alex Petrasincu sagte, das Münchner Urteil widerspreche einem Urteil des Bundesgerichtshofs. Die Landgerichte Braunschweig und Frankfurt hätten in Verfahren der Financialright-Schwester Myright gegen VW Abtretungsmodelle bestätigt. "Unsere Mandantin wird gegen diese Entscheidung in Berufung gehen", sagte Petrasincu.

LG München I, Urteil vom 07.02.2020 - 37 O 18934/17

Redaktion beck-aktuell, 7. Februar 2020.