LG München I: Knobloch gewinnt Rechtsstreit um Antisemitismusvorwurf

In dem Rechtsstreit zwischen dem Publizisten Abraham Melzer und Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, hat das Landgericht München I die Klage Melzers auf Unterlassung einer Äußerung Knoblochs, in der sie ihm vorwirft, "für seine antisemitischen Äußerungen regelrecht berüchtigt" zu sein, mit Urteil vom 19.01.2018 abgewiesen (Az.: 25 O 1612/17). Im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren hatte das LG Knobloch die Äußerung noch verboten.

LG: Weiterer Vortrag belegte Zulässigkeit der Äußerung

Im Hauptsacheverfahren kam das LG nunmehr zu der Überzeugung, dass die Beklagte die streitgegenständliche Äußerung machen durfte. Es sei erneut zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Klägers und dem Recht auf freie Meinungsäußerung der Beklagten abgewogen worden. Die Beklagte habe im Hauptsacheverfahren durch weiteren Sachvortrag ausreichend belegen können, dass sie den Kläger als für seine antisemitischen Äußerungen berüchtigt beurteilen konnte.

Teilnahme Melzers als Gastredner auf "Palestinians in Europe Conference" ausschlaggebend

Als maßgebend dafür erachtete das LG insbesondere die Teilnahme des Klägers als Gastredner auf einer Veranstaltung "Palestinians in Europe Conference" und seine dort gehaltene Rede. Der Kläger habe in dieser Rede auf vorangegangene Demonstrationen Bezug genommenen, auf denen von Demonstranten Parolen wie "Jude, Jude feiges Schwein, komm´ heraus und kämpf´ allein!", "Scheiß-Juden, wir kriegen euch!" und "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" gebrüllt worden seien.

Melzer bezeichnete "Hamas, Hamas, Juden ins Gas"-Parole als "verständliche Reaktion"

Laut LG sagte der Kläger in Bezug unter anderem auf diese Parolen in seiner auf dieser Veranstaltung gehaltenen Rede Folgendes: "(...) Die Parolen waren aber nicht `judenfeindlich´ sondern schlimmstenfalls antiisraelisch, anti-zionistisch und ein Ausdruck von Wut, des Zorns und Verzweiflung angesichts des Massenmordes an ihren Freunden und Verwandten in Gaza. Vergessen wir nicht, das es insgesamt mehr als 2.100 Tote und mehrere Tausend Verletzte gegeben hat und zigtausend Obdachlose, weil tausende von Häusern zerstört worden sind. Eine durchaus verständliche Reaktion, für die sich keiner entschuldigen muss. (...)"

LG: Äußerung offenbart extrem judenfeindliche Gesinnung

Nach Ansicht des LG rechtfertigte der Kläger damit unter anderem den Aufruf zur Tötung oder Schädigung von Juden im Namen einer radikalen Ideologie oder einer extremistischen Religionsanschauung und brachte eine (extrem) feindselige Gesinnung Juden und dem jüdischen Volk gegenüber zum Ausdruck. Ein derartiges Verhalten des Klägers könne und dürfe die Beklagte ohne jeden Zweifel als antisemitisch beurteilen.

LG verbietet Melzer Rassismusvorwurf gegen Knobloch

Darüber hinaus verbot das LG dem Kläger auf Widerklage Knoblochs, über sie zu behaupten, sie sei "regelrecht berüchtigt für ihre (...) rassistischen Ausfälle". Für eine solche Beurteilung der Beklagten habe der Kläger keinerlei Anhaltspunkte vorgetragen.

Vorwurf antidemokratischer Gesinnung noch von Meinungsfreiheit gedeckt

Die darüber hinausgehende Widerklage der Beklagten, mit der sie dem Kläger auch die Äußerung untersagen lassen wollte, sie sei "regelrecht berüchtigt für ihre antidemokratische Gesinnung", wies das LG hingegen ab. Diese Aussage sei noch von der Meinungsfreiheit gedeckt. Laut LG hatte der Kläger hierzu ausgeführt, er sei durch die E-Mail der Beklagten vom 23.09.2016, die die streitgegenständliche Äußerung der Hauptsacheklage enthalten habe, daran gehindert worden, von seiner Meinungsäußerungsfreiheit Gebrauch zu machen. Dies verletze den Kernbestand einer demokratischen Gesinnung, der darin bestehe, auch Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen. Nach Ansicht des LG war dabei zu berücksichtigen, dass die Beklagte durch die E-Mail eine direkte Konfrontation mit dem Kläger nicht zugelassen habe, sondern ohne ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme zu geben, auf die Absage der Veranstaltung hingewirkt habe, auf der der Kläger als Redner hätte auftreten sollen.

LG München I, Urteil vom 19.01.2018 - 25 O 1612/17

Redaktion beck-aktuell, 19. Januar 2018.