LG Berlin revidiert Einschätzung: Renate Künast wurde auf Social-Media-Plattform doch beleidigt

Die Grünen-Politikerin Renate Künast hat im Verfahren um die Gestattung der Herausgabe von Nutzerdaten durch eine Social Media Plattform einen Teilerfolg erzielt. Das Landgericht Berlin hat seine ursprüngliche Entscheidung abgeändert und mit noch nicht rechtskräftigem Beschluss vom 21.01.2020 die Herausgabe der Nutzerdaten von sechs Kommentatoren auf der Plattform für zulässig erachtet, weil sich diese beleidigend über Künast geäußert hätten (Az.:27 AR 17/19).

LG bewertet Zusammenhänge neu

Durch den im Beschwerdeverfahren erstmals vollständig vorgelegten Ausgangspost zu einer Äußerung der Grünenpolitikerin im Berliner Abgeordnetenhaus aus dem Jahr 1986 im Zusammenhang mit dem Thema Strafandrohung wegen sexueller Handlungen an Kindern habe das Gericht die 22 betroffenen Nutzerkommentare im Lichte der höchstrichterlichen und verfassungsrechtlichen Rechtsprechung zur Meinungsfreiheit nochmals geprüft und der Antragstellerin im Ergebnis in sechs Fällen Recht gegeben. So sei wegen des nunmehr dargelegten Kontextes des Ausgangsposts und der inzwischen zusätzlich erlangten gerichtlichen Erkenntnisse zu dessen Urheber nicht mehr davon auszugehen, dass die Verfasser der 22 streitgegenständlichen Kommentare annehmen durften, dass die im Ausgangspost wiedergegebene Äußerung so wie zitiert vollständig von der Antragstellerin stamme. Vielmehr handele es sich teilweise um ein Falschzitat, sodass sich angesichts der für die 22 Nutzer auch erkennbaren Hintergründe des Posts für sie Zweifel in Bezug auf die Authentizität des Zitats aufdrängen mussten, was bei der Bewertung der einzelnen Kommentare zu berücksichtigen sei.

Künast kann Nutzerdaten der sechs beleidigenden Kommentatoren herausverlangen

Vor diesem Hintergrund erfüllten die Kommentare von sechs Nutzern den Straftatbestand der Beleidigung gemäß § 185 StGB, für den auch im Hinblick auf die Meinungsfreiheit ein Rechtfertigungsgrund nicht ersichtlich sei. Diese Kommentare hätten vielmehr einen ehrherabsetzenden Inhalt, der aus der Sicht des unbefangenen Durchschnittslesers als gezielter Angriff auf die Ehre der Antragstellerin erscheine und sich auch in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpfe. Die Social Media Plattform dürfe daher in diesen sechs Fällen über den Namen des Nutzers, E-Mail-Adresse des Nutzers und IP-Adresse, die von dem Nutzer für das Hochladen verwendet worden sei, sowie über den Uploadzeitpunkt Auskunft erteilen.

Nutzerdaten weiterer 16 Kommentatoren mangels Beleidigung aber nicht herauszugeben

Die übrigen sechzehn Kommentare hätten einen Sachbezug gehabt. Es handele sich deshalb bei diesen Kommentaren um Äußerungen, die das Verhalten der Antragstellerin oder den Aussagegehalt des von ihr im Jahre 1986 getätigten Einwurfs im Berliner Abgeordnetenhaus kritisierten und sich nicht in der persönlichen Herabsetzung der Antragstellerin erschöpften, sodass sie im Ergebnis noch keine Straftaten der Beleidigung darstellten.

Auskunftsanspruch vom Gesetzgeber abschließend im TMG geregelt

Soweit die Antragstellerin auf einen Verstoß gegen die Richtlinien der Social Media Plattform abstelle, komme es darauf ebenso wenig wie auf einen - nach anderen rechtlichen Vorschriften zu bewertenden - zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß den §§ 823, 1004 analog des Bürgerlichen Gesetzbuches in Verbindung mit Art. 1 und Art. 2 des GG an. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Auskunftsanspruch sei vom Gesetzgeber abschließend in § 14 des TMG geregelt und auf die Fälle beschränkt worden, in denen die in § 1 Abs. 3 NetzDG genannten Straftatbestände verwirklicht seien.

LG Berlin, Beschluss vom 21.01.2020 - 27 AR 17/19

Redaktion beck-aktuell, 21. Januar 2020.