Marla-Svenja Liebich hieß früher mit Vornamen Sven und hatte im Herbst 2024 als Reaktion auf das Selbstbestimmungsgesetz ihren Geschlechtseintrag von männlich zu weiblich geändert. Doch daran will sich nicht jeder halten - allen voran das rechte Medienportal NIUS.
Auslöser des Eilverfahrens vor dem LG Berlin II war ein Posting Reichelts auf der Social-Media-Plattform X. Darin hatte er geschrieben: "Jeder, der die Berichterstattung über den Neonazi Sven Liebich verfolgt, kann nur zu einem Schluss kommen: Die Ampel-Regierung hat es per Gesetz geschafft, nahezu die gesamte deutsche Medienlandschaft zu zwingen, die Unwahrheit zu sagen und grotesk falsche Dinge zu behaupten. Sven Liebich ist keine Frau. Wenn sie uns zwingen können, das zu behaupten, können sie uns zu allem zwingen."
Liebich unterlag nun jedoch mit ihrem Unterlassungsantrag vor Gericht. Das LG Berlin II entschied, dass Liebich kein Unterlassungsanspruch gegen Reichelt wegen der Verletzung ihres allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG zustehe (Beschluss vom 18.08.2025, 2 O 357/25 eV).
Geschlechtliche Identität geschützt – Persönlichkeitsrecht verletzt
Zunächst stellte das Gericht klar, dass das Persönlichkeitsrecht auch die "geschlechtliche Identität" einer Person schütze. Eine Äußerung, die diese empfundene Identität abspreche, sei grundsätzlich geeignet, eine Person "bloßzustellen und sie auch in ihrer Lebensrealität zu verunsichern".
Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht Liebichs sei aber nicht rechtswidrig. Reichelt könne sich hier auf seine Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG berufen. Dabei war für das Gericht entscheidend, dass Reichelt hier eine Meinung formuliert und nicht den Anspruch gehabt habe, reine Fakten vorzutragen. Für den Durchschnittsempfänger stelle sich das Posting auf X als Kritik an der Ampel-Regierung und an dem von dieser 2024 verabschiedeten Selbstbestimmungsgesetz dar. Reichelt kritisiere im Schwerpunkt eine gesetzliche Regelung, die nach seiner Ansicht dazu "zwinge, die Unwahrheit zu sagen und grotesk falsche Dinge zu behaupten". Die Behauptung, Liebich sei keine Frau, diene nach Ansicht der Berliner Richterinnen und Richter lediglich als Beispiel für die angeblich "grotesken" Folgen des Selbstbestimmungsgesetzes in der Praxis.
Keine Schmähkritik, da Sachbezug zum Selbstbestimmungsgesetz
Nach Ansicht des LG Berlin II ist das X-Posting auch keine Schmähkritik, welche von der Meinungsfreiheit nicht mehr gedeckt wäre. Eine solche liege nur vor, "wenn eine Äußerung jeglichen sachlichen Bezug vermissen lässt, die inhaltliche Auseinandersetzung zurücktritt und eine Diffamierung im Vordergrund steht, die jenseits polemischer und überspitzter Kritik in erster Linie herabsetzen soll", so die Kammer.
Diese Grenze sei hier jedoch nicht überschritten. Die Äußerung Reichelts weise einen Sachbezug zur Reform des Selbstbestimmungsgesetzes auf. Im Vordergrund stehe deswegen erkennbar die Kritik an der Reform und nicht Liebichs Herabwürdigung.
Im Ergebnis kam es deswegen für das Gericht auf eine Interessenabwägung zwischen der Meinungsfreiheit Reichelts und dem Persönlichkeitsrecht Liebichs an. Die Meinungsfreiheit wiege dabei umso höher, je mehr die Äußerung darauf abziele, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten, und umso weniger, je mehr es lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen gehe.
Vorleben Liebichs als transfeindlicher Neonazi entscheidend
Grundsätzlich stelle es einen besonders intensiven Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des oder der Betroffenen dar, wenn einer Transperson das eingetragene Geschlecht abgesprochen werde, befand das LG. "Steht bei einer Transperson das eigene Geschlechtsempfinden nachhaltig in Widerspruch zu dem ihr rechtlich nach den äußeren Geschlechtsmerkmalen zugeordneten Geschlecht, gebieten es die Menschenwürde in Verbindung mit dem Grundrecht auf Schutz der Persönlichkeit, dem Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Person Rechnung zu tragen", so das Gericht. Nur durch die Anerkennung der selbstempfundenen geschlechtlichen Identität werde der Transperson ermöglicht, entsprechend dem empfundenen Geschlecht zu leben und nicht in ihrer Intimsphäre bloßgestellt zu werden.
Im Fall von Liebich sei aber auch dessen Lebensweise vor dem Geschlechtswechsel in die Einzelfallabwägung einzubeziehen, so die Richterinnen und Richter. Liebich sei in der Vergangenheit bei öffentlichkeitswirksamen Demonstrationen und bei Aktivitäten in der rechtsextremen Szene durch queer- und transfeindliche Äußerungen aufgefallen. Zudem sei sie unter anderem wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Die Änderung ihres Geschlechtseintrags habe Liebich außerdem selbst auf Social Media bekannt gegeben.
Die Äußerung Reichelts auf X betreffe deswegen nicht die Intimsphäre, sondern lediglich die Sozialsphäre Liebichs. Der Verweis Reichelts auf das Vorleben Liebichs als Neonazi stelle zudem eine hinreichende Anknüpfungstatsache für die Meinungsäußerung dar, dass es sich bei Liebich nicht um eine Frau handele. Liebich müsse die streitgegenständliche Äußerung angesichts dessen hinnehmen, so die Berliner Richterinnen und Richter.