Harte Bandagen im Kündigungsschutz: Der Ehrschutz muss zurückstehen

Einer Teamleiterin wird gekündigt, weil sie einem Kollegen fingierte Überstunden empfohlen haben soll. Das will sie nicht auf sich sitzen lassen und klagt gegen den Kollegen. Doch das LAG Niedersachsen findet, dass der Schutz der prozessualen Wahrheitsfindung wichtiger ist.

Die niedersächsischen LAG-Richter wiesen die Berufung einer ehemaligen Teamleiterin der Personalzeitwirtschaft einer GmbH gegen die Abweisung einer Ehrschutzklage wegen angeblich ehrverletzender Äußerungen eines Kollegen als unbegründet zurück (Urteil vom 07.04.2025 – 15 SLa 855/24). Die Klage sei unzulässig, da kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe.

Zu dem Streit war es gekommen, nachdem der Kollege gegenüber dem Arbeitgeber erklärte, dass die Personalerin ihn dazu aufgefordert haben soll, "die Arbeit in die Länge zu ziehen" und damit fingierte Überstundengründe anzugeben, um die finanziellen Nachteile der Kurzarbeit während der Coronazeit abzufedern. Diese Äußerung fand sich später in einer E-Mail des Personalleiters an die Frau wieder. Zwei Wochen später flatterte ihr die Kündigung ins Haus. Das Kündigungsschutzverfahren endete durch Vergleich mit einer Abfindung.

Die Angestellte sah ihr Persönlichkeitsrecht durch die Aussagen des Kollegen verletzt. Ihr Ruf werde geschädigt und sie seien mitursächlich für ihre Kündigung gewesen. Da der Mann sich weigerte, eine Unterlassungserklärung abzugeben und sich auf seine Meinungsfreiheit berief, zog sie vor das ArbG Lingen. Dort wies man ihre Klage auf Unterlassungs-, Widerrufs-, Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche zurück.

Schutz der prozessualen Wahrheitsfindung

Auch das LAG Niedersachsen half ihr nicht weiter und stellte klar: Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage bestehe nicht, da die fraglichen Aussagen des Kollegen im Rahmen der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit dem Arbeitgeber gefallen seien – insbesondere zur Vorbereitung der Kündigung und des Kündigungsschutzverfahrens.

Das Gericht stufte sie – in Anlehnung an die gefestigte Rechtsprechung – als wertende Meinungsäußerungen (und nicht als überprüfbare Tatsachenbehauptungen) ein, die nicht als Schmähkritik zu bewerten seien. Dadurch werde gerade für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen oder die dort in Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten – etwa als Zeuge – gemacht werden, gewährleistet, dass die prozessuale Wahrheitsfindung nicht beeinträchtigt wird. Ein Ausnahmefall liege hier nicht vor, da sich weder eine unredliche Absicht noch eine bewusst unwahre Tatsachenbehauptung des Kollegen feststellen lasse.

Auch materiell-rechtlich scheiterte die frühere Teamleiterin mit allen Ansprüchen, da ihr weder ein Unterlassungs- noch ein Widerrufsanspruch zusteht und angesichts des abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses keine Wiederholungsgefahr besteht. Damit entfalle die Grundlage für einen Unterlassungs- wie auch für einen Widerrufs- oder Schadensersatzanspruch. Zudem fehle es an einer Rechtsgutsverletzung, die einen Schadensersatz- oder Entschädigungsanspruch begründen könnte.

LAG Niedersachsen, Urteil vom 07.04.2025 - 15 SLa 855/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 5. Juni 2025.

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