KG: Kein Augenblicksversagen an gefährlicher Kreuzung

StVG § 25 I

Eine komplexe und gefährliche Kreuzung (hier zweier Magistralen) erfordert von jedem Fahrzeugführer erkennbar hohe Aufmerksamkeit, so dass nach Auffassung des Kammergerichts das Übersehen eines Ampelregisters mit einem Augenblicksversagen oder anderweitig leichter Fahrlässigkeit nicht in Einklang zu bringen ist.

KG, Beschluss vom 20.06.2019 - 3 Ws (B) 208/19 – 122 Ss 91/19 (AG Berlin-Tiergarten), BeckRS 2019, 14501

Sachverhalt

Der Betroffene hatte die Haltelinie einer Ampel überfahren als diese für bereits 5,1 Sekunden Rotlicht anzeigte. Er erhielt hierfür einen Bußgeldbescheid über 200 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot. Dagegen legte er Einspruch ein, den er auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte. In der Hauptverhandlung vor dem AG wurde er zu einer Geldbuße von 400 EUR verurteilt. Von einem Fahrverbot sah das Gericht ab.

Nun legte die Amtsanwaltschaft Rechtsbeschwerde ein. Das KG hob das amtsgerichtliche Urteil im Rechtsfolgenausspruch samt den zugrunde liegenden Feststellungen auf und verwies zurück.

Rechtliche Wertung

Das Absehen vom Fahrverbot hatte das AG damit begründet, dass es an dieser Stelle nach Kenntnis des Gerichts häufig zu Rotlichtverstößen komme, weil, wie auch beim Betroffenen, im Zuge des Abbiegevorgangs zunächst eine Ampel für Linksabbieger zu beachten sei. Diese sei in ihrer Grünphase gewesen. Unmittelbar nach dem Einbiegen befinde sich allerdings die zweite, hier relevante, Lichtzeichenanlage, die zu diesem Zeitpunkt Rotlicht gezeigt habe. Deshalb komme es hier regelmäßig zu Rotlichtverstößen mit einer auffällig hohen Rotlichtzeit, so wie auch hier beim Betroffenen. 

Diese Begründung «gefiel» dem KG nicht. Das AG mache mit der baulichen Anordnung an dieser Örtlichkeit Umstände geltend, die das Handlungsunrecht als gegenüber dem Regelfall vermindert erscheinen lassen soll. Ohne dass dies ausdrücklich festgestellt wäre, lege die Formulierung nahe, dass der Tatrichter dem Betroffenen geglaubt habe, die Ampel übersehen zu haben. Gegen diese Beweiswürdigung sei auch nichts einzuwenden.

Angesichts der Indizwirkung der BKatV trage sie jedoch nicht die Entscheidung, kein Fahrverbot zu verhängen. Der Bußgeldkatalog gehe bei einem qualifizierten Rotlichtverstoß von fahrlässiger Tatbegehung aus. Es bleibe aber bei der Qualifikation des Rotlichtverstoßes. Der Verstoß wiege im Übrigen sogar besonders schwer, weil zur Tatzeit um 15:03 Uhr eher von erhöhtem als von vermindertem Verkehrsaufkommen auszugehen sei. Wenn sich, wie hier, zwei besonders große Straßen an einer Kreuzung treffen, sei ganz besondere Aufmerksamkeit zu fordern.

Ob für den Betroffenen das Fahrverbot eine besondere Härte darstelle, habe das Gericht, aus seiner Sicht folgerichtig, nicht untersucht. Daher müsse es die Anordnung des Regelfahrverbots im Hinblick auf die persönliche und berufliche Situation des Betroffenen als verhältnismäßig noch prüfen.

Praxishinweis

Das Absehen von Regelfahrverboten bedarf einer eingehenden Begründung. Der Beschluss des Kammergerichts macht dies deutlich, auch wenn es für den Betroffenen an dieser Kreuzung ganz besonders ärgerlich ist.

Redaktion beck-aktuell, 6. August 2019.