"Dieses Lehrbuch ist ein Plagiat": Erlaubte Meinungsäußerung

Zwei Juraprofessoren streiten sich über die Rezension eines Lehrbuchs. Das KG befand nun, dass der Plagiatsvorwurf vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

"Eines der erfolgreichsten Lehrbücher zur Rechtsgeschichte ist ein Plagiat: die ‚Rechtsgeschichte’ von […]." Und etwas später heißt es in dem Artikel: "Zu ganz erheblichen Teilen ist der Text dieses Lehrbuchs aus anderen Studienbüchern abgeschrieben“ – und das, ohne dass die Zitate als solche gekennzeichnet worden seien. So lautete 2021 die harsche Kritik eines Münsteraner Rechtshistorikers, der das Lehrbuch eines Kollegen und weitere seiner Werke in einer kleinen Fachzeitschrift rezensierte. Er fügte konkrete Beispiele von übernommenen Stellen an. Die Retourkutsche ließ nicht auf sich warten: Der Angegriffene verklagte ihn auf Unterlassen der gesamten Besprechung und Entschädigung. Das LG Berlin winkte ab, und das KG (Urteil vom 02.06.2025 – 10 U 47/24) wies seine Berufung dagegen zurück.

Der Begriff "Plagiat" kann den Berliner Richterinnen und Richtern zufolge auch so verstanden werden, dass es nur um die Anmaßung der Autorenschaft eines Textes geht. Es werde nicht behauptet, die genannten Bücher habe in Wahrheit eine andere Person erstellt. Vielmehr werde die fehlende Kenntlichmachung der Übernahme von Textteilen beanstandet. "Eine Übernahme von Textteilen aus anderen Werken macht aber die Urheber dieser anderen Werke nicht zum Autor des neuen Werkes." Somit verneinten sie einen Anspruch aus § 97 UrhG, weil der Rezensent die Urheberschaft seines Kollegen an dem Lehrbuch nicht bestritt.

Ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 analog BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG scheitere bereits daran, dass der Lehrbuchautor den gesamten Beitrag verbieten lassen wolle. Eine solche Rechtsverfolgung schießt laut KG "über das Ziel hinaus", weil Verbote sich nur auf einzelne Äußerungen beziehen könnten. Nur wenn zulässige und unzulässige Teile der Buchbesprechung so miteinander verbunden seien, dass sie ohne Veränderung des Sinnzusammenhangs nicht voneinander getrennt werden können, könne ausnahmsweise ein gesamter Beitrag verboten werden. Einen solchen Fall sieht das KG hier aber nicht.

Bei dem Vorwurf des Plagiats könne sich der Rezensent auf sein Grundrecht der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG berufen – wenngleich es sich bei der Gegenüberstellung von Textpassagen um Tatsachenbehauptungen handele, die aber unstreitig wahr seien. Das Schutzinteresse des Lehrbuchautors sei demgegenüber nachrangig. Der Begriff "Plagiat" werde auch in einem weiteren Sinn dahin verstanden, dass es lediglich auf die Anmaßung der Autorenschaft eines Textes ankomme, nicht auf einen Urheberschutz des verwendeten Materials, heißt es in dem Urteil mit Blick auf den "Durchschnittsleser". Wer ein Lehrbuch veröffentlicht, muss sich demnach der Diskussion darüber stellen. Es handele sich hier nicht um eine Schmähkritik oder eine private Fehde, sondern um die kritische Auseinandersetzung mit seiner Arbeit, die den Autor lediglich in seiner Sozialsphäre berührt. Das müsse er hinnehmen. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

KG, Urteil vom 02.06.2025 - 10 U 47/24

Redaktion beck-aktuell, rw, 1. Juli 2025.

Mehr zum Thema