Innenausschuss: Experten uneins über Entfristung der Wohnsitzauflage für Asylberechtigte

Das Vorhaben der Bundesregierung, die seit drei Jahren befristet geltende Wohnsitzauflage für Asylberechtigte in Deutschland endgültig festzuschreiben (BT-Drs.:19/8692), stößt bei Kommunalvertretern auf Zustimmung und bei Wohlfahrtsverbänden auf Ablehnung. Das wurde bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Inneres und Heimat am 03.06.2019 deutlich.

Bundesregierung will Wohnsitzauflage endgültig festschreiben

Die mit dem Integrationsgesetz vom Juli 2016 eingeführte Wohnsitzregelung für international Schutzberechtigte würde am 06.08.2019 außer Kraft treten. Aus Sicht der Regierung würde ohne eine Verlängerung dieser Regelung, der zufolge schutzberechtigte Ausländer verpflichtet sind, ihren Wohnsitz drei Jahre lang in einem bestimmten Land und gegebenenfalls an einem bestimmten Ort zu nehmen, "ein wichtiges integrationspolitisches Instrument für die Betroffenen und die zu diesem Zweck erforderliche Planbarkeit der Integrationsangebote von Ländern und Kommunen entfallen".

Kommunen und Kreise: Wohnsitzauflage hat sich bewährt

Die Wohnsitzauflage habe sich bewährt, sagte Marc Elxnat vom Deutschen Städte- und Gemeindebund während der Anhörung und begrüßte das Regierungsvorhaben. Eine Entfristung der geltenden Regelung bedeute nicht, dass diese damit für alle Zeiten festgeschrieben ist, befand er. In den Städten und Gemeinden gebe es die Befürchtung, dass es im Fall einer Außerkraftsetzung der Wohnsitzregelung zu einer Konzentration spezieller Communitys in den Städten komme, was einer Integration nicht zuträglich sei und zu Problemen mit Wohnraumversorgung in einzelnen Städten führen könne. Mit dem Mittel der Einschränkung der Wohnsitzfreiheit für einen beschränkten Zeitraum könne es gelingen, den Flüchtlingen vor Augen zu führen, dass sie auch im ländlichen Raum sehr gute Chancen zur Integration haben, so Klaus Ritgen vom Deutschen Landkreistag.

Wohlfahrtsverbände gegen Entfristung

Susann Thiel vom Paritätischen Gesamtverband sprach sich gegen eine Entfristung aus. Wohnsitzauflagen seien rechtlich fraglich, da sie das Recht auf Freizügigkeit einschränkten. Außerdem seien sie “kein geeignetes Mittel, um die Integration von Schutzberechtigten tatsächlich herzustellen", sagte die Verbandsvertreterin. Bernward Ostrop vom Deutschen Caritasverband lehnte eine Entfristung "ohne Evaluierung" ab und schlug eine befristete Verlängerung der Regelung vor, um eine "ordentliche Evaluierung" vornehmen zu können. Der Caritas-Vertreter wies zugleich darauf hin, dass die geltende Regelung in Regionen mit angespanntem Wohnungsmarkt Flüchtlinge dazu zwingen könne, länger als angemessen in Gemeinschaftsunterkünften zu verbleiben. Dies sei nicht integrationsfördernd.

Wissenschaftler hält systematische Evaluation für erforderlich

Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg sagte, die Annahme, dass sich die Wohnsitzauflagen positiv auf die Integration auswirken, könne empirisch nicht bestätigt werden. Seiner Ansicht nach braucht es eine systematische Evaluation des Gesetzes. Jetzt eine "Entfristung auf Dauer" festzuschreiben, sei "nicht sinnvoll". Er halte eine Verlängerung der Wohnsitzauflage um ein Jahr für richtig, sagte Brücker. Was die Bedenken der Kommunen angeht, ein Wegfall der Wohnsitzauflage könne zu einer Konzentration in den Großstädten führen, so fänden sich bei genauerer Betrachtung der Zahlen starke Zuzüge ebenso wie starke Wegzüge. Eventuellen Risiken für tatsächlich erheblich über dem Bundesdurchschnitt betroffene Kommunen könne mit einem Zuzugsstopp begegnet werden, schlug Brücker vor.

Redaktion beck-aktuell, 4. Juni 2019.