Finanzausschuss: Strafverfolgungsbehörden beklagen Defizite beim Kampf gegen Steuerbetrug

Die Strafverfolgungsbehörden beklagen, dass es bei der Bekämpfung sogenannter Umsatzsteuerkarusselle Defizite gebe. Wie der parlamentarische Pressedienst am 15.01.2020 mitgeteilt hat, rügte Oberstaatsanwalt Macus Paintinger von der Staatsanwaltschaft München I in einem öffentlichen Fachgespräch des Finanzausschusses des Bundestages, dass es viel zulange dauere, bis von deutschen Banken Kontoauskünfte erteilt würden. Um dies zu ändern, sollte dafür eine generelle Frist von zwei Wochen ins Gesetz aufgenommen werden, fordert Paintinger.

Kontoauskünfte dauern in Deutschland vier bis 16 Wochen

Innerhalb Deutschlands dauere es im Regelfall vier bis 16 Wochen, um von den Banken Informationen zu Empfangskonten von Geldtransaktionen zu erhalten, erläuterte Paintinger. Erst dann könne die Staatsanwaltschaft an die Bank des Empfängerkontos herantreten, um dort die erforderlichen Informationen beziehungsweise die Tatbeute sicherstellen zu lassen, sofern sie sich nach dieser langen Zeit noch auf dem Konto befinde und nicht bereits weiter transferiert worden sei. In der Europäischen Union erhalte man Kontoauskünfte in der Regel innerhalb von 16 Wochen, von Drittstaaten frühestens nach einem Jahr, teilweise aber überhaupt nicht.

"Missing trader" als Grundbaustein von Umsatzsteuerkarussellen

Wie Umsatzsteuerkarusselle funktionieren, erläuterte Jörg von Weiler (FILIGRAN Trägersysteme) in seiner Stellungnahme. Danach importiert ein "Missing trader" netto aus einem anderen EU-Staat und verkauft brutto im Inland. Damit hinterziehe er je nach Steuersatz 17 bis 25 Prozent Mehrwertsteuer und fülle auf Verbraucherkosten seine "illegale Kriegskasse". Nach rund drei Monaten schließe er vor der ersten Kontrolle (Missing) das Geschäft, um woanders wieder aufzutauchen. Was gehandelt werde, sei irrelevant, es gehe nur um die Steuerhinterziehung. Ein Betrugskarussel baue auf "Missing trader" als Grundbaustein auf. Über eine Kette werde dieselbe Ware mehrfach über EU-Grenzen gespielt und Mehrwertsteuer hinterzogen. Welche Waren für Umsatzsteuerkarusselle genutzt werden, schilderte Steuerfahnder Guido Gillißen (Bonn): Dauerbrenner seien der Auto- und Elektronikhandel, aber auch Schnaps, Wein und Sekt würden benutzt. Gillißen wies darauf hin, dass die Karusselle nicht nur zu Ausfällen bei der Umsatzsteuer, sondern auch bei Ertragssteuern führen würden.

Bundessteuerberaterkammer: Verdrängungsgefahr für steuerehrliche Unternehmer

Die Bundessteuerberaterkammer erklärte in dem Fachgespräch, durch die Karussellgeschäfte bestehe die Gefahr, dass steuerehrliche Unternehmer über Niedrigpreise vom Markt verdrängt werden könnten. Gleichzeitig sei aber festzustellen, dass gesetzliche Maßnahmen zur Bekämpfung von Umsatzsteuerhinterziehung auch die ehrlichen Unternehmen stark belasten würden. Durch überzogenen Formalismus würden systematisch nicht zu rechtfertigende Steuerbelastungen entstehen.

Steuerrechtler: Warenempfänger zum Steuerschuldner machen

Nach Ansicht von Professor Roland Ismer (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) gibt es Möglichkeiten, den Umfang des Steuerbetrugs mit Karussellen zu reduzieren: So wäre es möglich, die Empfänger der Waren zu Steuerschuldnern zu machen. Wie auch vom Max-Planck-Institut in dem Fachgespräch erläutert wurde, müsste der Empfänger der Waren die Umsatzsteuer dann nicht mehr an den Lieferanten, sondern an den Fiskus zahlen.

Echtzeit-Verpflichtungen zur Umsatzmeldung einführen

Zu den weiteren Möglichkeiten zählte Ismer Echtzeit-Verpflichtungen zur Meldung von Umsätzen, was im Zeitalter der Digitalisierung möglich sei. Auch der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Klaus Eigenthaler, setzte auf schnellere Kontrollen. Oberstaatsanwalt Paintinger sprach sich auch dafür aus, die Befreiung von Existenzgründern von der monatlichen Umsatzsteuer-Erklärungspflicht einzuschränken.

Redaktion beck-aktuell, 16. Januar 2020.