Innenausschuss: Neuregelungen zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung umstritten

Die geplanten Neuregelungen der Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung stoßen bei Experten auf ganz unterschiedliches Echo. Während das Gesetzesvorhaben aus integrationspolitischer Sicht begrüßt wird, kommt Kritik an der Fristenregelung sowie der uneinheitlichen Anwendung der Ausbildungsduldung zum Tragen. Dies wurde im Rahmen einer Anhörung des Innenausschusses zu einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drs.:19/8286) deutlich.

Arbeitsforscher fordert Stichtagsregelung

Professor Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg wies darauf hin, dass derzeit in Deutschland 141.000 Geduldete im erwerbsfähigen Alter lebten. Rund ein Drittel von ihnen gehe einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach, 25% seien in der Lage, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Grundsätzlich sei das Vorhaben der Regierung "sinnvoll", so Brücker. Die Grundlage für die Integration sei Rechtssicherheit - sowohl für Arbeitgeber, die ausbilden oder beschäftigten wollen, als auch für Menschen, die in Deutschland bleiben wollen. Die Erfahrung zeige, dass Menschen, die eine gesicherte Perspektive hätten, mehr in Sprachkenntnisse oder Ausbildung investieren würden. Die Fristen, die im Gesetzentwurf vorgesehen sind, stellten aber eine hohe Rechtsunsicherheit dar. Sinnvoller sei eine Stichtagsregelung.

DIHK: Regelungen für Unternehmen problematisch

Kritisch äußerte sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Die bisherige Anwendung der Ausbildungsduldung sei bundesweit nicht einheitlich. Dies sei für die Unternehmen, die Planungssicherheit bräuchten, problematisch. Die geplante Regelung schaffe aber mehr Auslegungsspielräume. Im Jahr 2018 seien 58.000 Ausbildungsplätze bei der Agentur für Arbeit gemeldet gewesen, die nicht besetzt werden konnten, dem gegenüber stünden 23.000 unversorgte Jugendliche. Damit Betriebe für offene Stellen auch das Potential von Geflüchteten nutzen können, sei gesetzgeberisches Handeln nötig. Anders als vorgesehen müsse die Antwort auf die frage, ob eine Ausbildung erfolgreich zu Ende gebracht werden können, von den Betrieben gegeben werden und nicht von der Ausländerbehörde. Zudem entsprächen die geplanten Fristen nicht der Realität in den Unternehmen: Diese würden über die Besetzung von Ausbildungsplätzen ein Jahr im Voraus entscheiden. Dem trage die Neuregelung keine Rechnung.

Städte- und Gemeindebund wirbt für Integration Geduldeter in den Arbeitsmarkt

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund wies darauf hin, dass man den vielen Menschen, die derzeit nicht zurückgeführt werden könnten, eine Perspektive eröffnen müsse. In der Praxis stammten viele der Geduldeten aus sicheren Herkunftsländern. Verweigere man ihnen die Integration in den Arbeitsmarkt, bliebe nur die Abschiebung, die bekanntermaßen nicht möglich sei oder man müsse ihnen weiterhin Sozialleistungen zahlen. Der Deutsche Landkreistag betonte, nicht bei allen Beteiligten habe sich die Auffassung durchgesetzt, dass auf abgelehnte Asylbescheide grundsätzlich die Abschiebung und nicht die Aufnahme einer Beschäftigung folgen müsse. Auch die Forderung nach einer bundeseinheitlichen Anwendung sieht er kritisch: Es liege im Sinn eines föderalen Systems, dass der Vollzug von Regeln unterschiedlich ausgestaltet werde. Wer eine einheitliche Ausgestaltung und keinerlei Entscheidungsspielräume wolle, müsse ein detailliertes Gesetz schreiben, dass dann aber ausgesprochen komplex sei.

Pro Asyl: Regelung läuft "ins Leere"

Der Förderverein Pro Asyl sieht die Regelung "ins Leere" laufen. Grundsätzlich müsse davon ausgegangen werden, dass einer großen Zahl von Ausreisepflichtigen der Schutzstatuts zu Unrecht verwehrt werde. Die Erfahrung zeige, dass viele Ausländerbehörden ihre Kompetenzen nutzen würden, um Duldungen zu verweigern oder zu verzögern. Insbesondere bei der Beschäftigungsduldung entstehe der Eindruck, dass ein "Erfolg nicht gewollt" sei.

Experte warnt vor neuen Migrationsanreizen

Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz betonte, der Gesetzgeber stehe Ausreisepflichtigen gegenüber vor "einem Dilemma", weil er einerseits die Integration fördern und gleichzeitig Anreize verhindern wolle. Wenn bekannt würde, dass es in Deutschland möglich sei, trotz eines abgelehnten Asylantrags mit staatlicher Förderung in Arbeit zu kommen, könne das den Anreiz erhöhen, illegal nach Deutschland zu kommen. Im Vergleich zu den Voraussetzungen für die Fachkräfteeinwanderung seien die Kriterien für eine Beschäftigungsduldung deutlich geringer. Er plädiere dafür, so Thym, sich im Gesetz auf die grundsätzlichen Vorgaben zu beschränken und auf die Behörden und Gerichte zu vertrauen, die die Gesetze konkret und stabil machten. Dies funktioniere in der Regel "halbwegs gut".

Redaktion beck-aktuell, 4. Juni 2019.