EuGH: Ungarische Kfz-Steuer nicht mit Assoziierungsabkommen EWG-Türkei vereinbar

Die ungarische Kraftfahrzeugsteuer ist mit dem Assoziierungsabkommen EWG-Türkei nicht vereinbar. Denn sie stellt eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle dar, die nach dem Assoziierungsabkommen verboten ist. Dies entschied der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 19.10.2017 (Az.: C-65/16).

Türkisches Transportunternehmen soll ungarische Kfz-Steuer zahlen

Istanbul Lojistik Ltd ist ein türkisches Unternehmen, das Straßentransporte aus der Türkei in die EU durchführt. Im März 2015 stellten die ungarischen Steuerbehörden fest, dass für einen Lastkraftwagen dieses Unternehmens, der Textilerzeugnisse aus der Türkei nach Deutschland transportierte, die ungarische Kraftfahrzeugsteuer nicht entrichtet worden war. Infolgedessen verlangten die ungarischen Behörden von Istanbul Lojistik die Zahlung dieser Steuer in Höhe von 60.000 Forint (ungefähr 200 Euro) und verhängten außerdem Bußgelder in Höhe von 600.000 Forint (ungefähr 2.000 Euro) gegen das Unternehmen.

Transportunternehmen sieht sich nicht zu Zahlung der Steuer verpflichtet

Istanbul Lojistik focht daraufhin die betreffenden Bescheide vor dem Szegedi Közigazgatási és Munkaügyi Bíróság (Verwaltungs- und Arbeitsgericht Szeged, Ungarn) an. Nach Ansicht von Istanbul Lojistik stellt die streitige Steuer eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle dar, die im Warenverkehr zwischen der EU und der Türkei nach dem Beschluss Nr. 1/95 des Assoziationsrats EG-Türkei zur Durchführung der Bestimmungen des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei über die Endphase der Zollunion verboten ist. Das ungarische Gericht hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die streitige Steuer mit dem Beschluss des Assoziationsrats vereinbar ist (BeckEuRS 2016, 473082).

EuGH: Bezeichnung der Abgabe bei zollgleicher Wirkung irrelevant

Der Gerichtshof weist zunächst darauf hin, dass mit dem Beschluss des Assoziationsrats Zölle und zollgleiche Abgaben zwischen der EU und der Türkei beseitigt worden sind. Er stellt in diesem Zusammenhang außerdem fest, dass die Vorschriften dieses Beschlusses im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr auszulegen sind. Zu betonen sei dementsprechend, dass jede den Waren beim Überschreiten der Grenze einseitig auferlegte finanzielle Belastung unabhängig von ihrer Bezeichnung und der Art ihrer Erhebung, wenn sie kein Zoll im eigentlichen Sinne ist, eine Abgabe zollgleicher Wirkung darstellt.

Ungarische Steuer belastet Waren

Der Gerichtshof weist sodann darauf hin, dass auch eine Abgabe, bei der der Abgabentatbestand die Beförderung von Waren ist und die nicht auf Waren als solche, sondern auf eine im Zusammenhang mit Waren erforderliche Tätigkeit erhoben wird, den Anforderungen unterliegen kann, die sich aus dem Grundsatz des freien Warenverkehrs ergeben. In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass sich die Höhe der streitigen Steuer nach Kriterien richtet, die unter anderem auf die Menge der Waren, die befördert werden können, und deren Bestimmungsort abstellen. Der EuGH ist daher der Auffassung, dass mit der streitigen Steuer, obschon sie nicht auf Erzeugnisse als solche erhoben wird, beim Überschreiten der Grenze nicht die Beförderungsdienstleistung als solche, sondern die Waren belastet werden, die von den in der Türkei zugelassenen Fahrzeugen befördert werden.

Steuer nicht mit Assoziierungsabkommen vereinbar

Unter diesen Umständen gelangt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass die streitige Steuer, die den Waren wegen des Überschreitens der Grenze einseitig auferlegt wird, eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie Zölle im Sinne des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrats darstellt und daher mit diesem Beschluss nicht vereinbar ist.

EuGH, Urteil vom 19.10.2017 - C-65/16

Redaktion beck-aktuell, 19. Oktober 2017.