Staatliches Monopol für mobiles Bezahlen in Ungarn
In Ungarn betreibt ein vollständig im Eigentum des Staates stehendes Unternehmen ein nationales mobiles Zahlungssystem, das für die mobile Zahlung in verschiedenen Bereichen vorgeschrieben ist: öffentliches Parken (Parkscheine), Bereitstellung des Straßennetzes für Verkehrszwecke (Maut), Personenbeförderung durch ein staatliches Unternehmen (Fahrscheine), sonstige Dienstleistungen einer staatlichen Einrichtung. Die Leistungserbringer sind grundsätzlich verpflichtet, den Zugang der Kunden zu den Leistungen über das nationale mobile Zahlungssystem zu gewährleisten.
Kommission rügt Verstoß gegen Dienstleistungsfreiheit
Da die Kommission das von Ungarn eingeführte nationale mobile Zahlungssystem als rechtswidriges staatliches Monopol und damit als Verstoß gegen die Vorschriften der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG und gegen die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit beurteilte, erhob sie beim EuGH eine Vertragsverletzungsklage. Ungarn meinte, dass die im Rahmen des nationalen mobilen Zahlungssystems erbrachten Dienstleistungen selbst dann, wenn sie in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen – was zu verneinen sei –, Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse darstellten, für die die Anwendung der Richtlinie Einschränkungen unterliege.
EuGH: Dienstleistungsrichtlinie anwendbar
Der EuGH stellt zunächst fest, dass die Richtlinie 2006/123/EG hier anwendbar ist. Denn vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen seien nur die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, die öffentlichen oder privaten Einrichtungen vorbehalten seien, oder Monopole, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie bereits bestanden hätten.
Betroffene Dienstleistungen zwar von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse
Allerdings stellen die vom nationalen mobilen Zahlungssystem erfassten Dienstleistungen nach Auffassung des EuGH Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dar. Allein der Umstand, dass diese Dienstleistungen in der Vergangenheit von privaten Wirtschaftsteilnehmern erbracht worden seien, stelle die Richtigkeit ihrer von Ungarn vorgenommenen Einstufung nicht in Frage. Die in der Richtlinie für die Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse vorgesehenen besonderen Vorschriften fänden daher auf die Dienstleistungen Anwendung.
Staatliches Monopol aber unverhältnismäßig
Allerdings sieht der EuGH den Grundsatz der Dienstleistungsfreiheit durch die streitigen Maßnahmen unverhältnismäßig beeinträchtigt. Er führt aus, dass das nationale mobile Zahlungssystem eine "Anforderung" im Sinne der Richtlinie darstelle, da es den Zugang zur Erbringung mobiler Zahlungsdienste einem staatlichen Monopol vorbehalte. Eine solche "Anforderung" müsse jedoch mit den in der Richtlinie genannten kumulativen Bedingungen der Nicht-Diskriminierung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Ungarn habe aber selbst anerkannt, dass es Maßnahmen gibt, die weniger einschneidend seien und die Niederlassungsfreiheit weniger beschränkten als die streitigen Maßnahmen, um die von diesem Mitgliedstaat verfolgten Ziele (unter anderem Verbraucherschutz durch einen besser funktionierenden Markt für mobile Zahlungssysteme) zu erreichen. Laut EuGH könnte etwa ein Konzessionssystem, das auf einem für den Wettbewerb offenen Verfahren beruht, eine weniger beschränkende Maßnahme darstellen. Da Ungarn nicht nachgewiesen habe, dass die Anwendung der vorstehend genannten Bedingungen die Verwirklichung der mit den angefochtenen Maßnahmen verfolgten Ziele verhindere, seien diese Maßnahmen nicht mit den Vorschriften der Richtlinie über den freien Dienstleistungsverkehr vereinbar.