EuGH: Regelung zu Ausfuhrerstattungen im Geflügelfleischsektor nichtig

Die Verordnung der Kommission, mit der sie die Ausfuhrerstattungen im Geflügelfleischsektor im Juli 2013 auf null Euro festsetzte, ist nichtig. Dies geht aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20.09.2017 hervor. In seiner Begründung verwies der EuGH auf Verfahrensfehler. Wie er betont, werden die Wirkungen der Verordnung bis zum Erlass einer neuen Verordnung, die keine Verfahrensfehler aufweist, aufrecht erhalten (Az.: C-183/16 P).

Erstattungsbeträge für gefrorene Hähnchen schrittweise gesenkt

Im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik sieht eine Verordnung der Union (VO (EG) Nr. 1234/2007) vor, dass der Unterschied zwischen den Preisen auf dem Weltmarkt und den Preisen in der Union durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden kann; dies gilt unter anderem für Erzeugnisse des Geflügelfleischsektors. Die Erstattungsbeträge werden von der Kommission für die gesamte Union festgesetzt. Für drei Kategorien gefrorener Hähnchen wurden diese Beträge schrittweise gesenkt, und zwar von 0,4 Euro/kg im Jahr 2010 auf 0,1085 Euro/kg zu Beginn des Jahres 2013.

Zwei französische Unternehmen profitierten

Im Rahmen einer Durchführungsverordnung (EU) Nr. 689/2013 setzte die Kommission schließlich mit Wirkung ab Juli 2013 die Ausfuhrerstattungen unter anderem für diese Erzeugnisse auf null Euro fest. Von den Ausfuhrerstattungen für gefrorene Hähnchen profitierten in Europa insbesondere zwei französische Unternehmen (Tilly-Sabco und Doux), die Ausfuhren in den Nahen Osten vornahmen. Seit dem Inkrafttreten der neuen gemeinsamen Agrarpolitik am 01.01.2014 können Ausfuhrerstattungen nur noch im Krisenfall gezahlt werden.

EuG wies Nichtigkeitsklagen ab

Frankreich sowie die Gesellschaften Doux und Tilly-Sabco beantragten beim Gericht die Nichtigerklärung der Durchführungsverordnung der Kommission, mit der die Ausfuhrerstattungen auf null Euro festgesetzt wurden. Mit Urteilen vom 14.01.2016 (Az.: T-397/13, T-434/13 und T-549/13) hat das Gericht diese Nichtigkeitsklagen abgewiesen und somit die Festsetzung der Ausfuhrerstattungen im Geflügelfleischsektor im Juli 2013 auf null Euro bestätigt. Tilly-Sabco hat darauf ein Rechtsmittel beim EuGH eingelegt, mit dem sie die Aufhebung des Urteils des Gerichts und die Nichtigerklärung der streitigen Verordnung der Kommission begehrt.

Regelung verfahrensfehlerhaft

Mit seinem jetzt ergangenen Urteil gibt der Gerichtshof dem Rechtsmittel von Tilly-Sabco statt und erklärt die Durchführungsverordnung der Kommission wegen eines Verfahrensfehlers für nichtig. Der EuGH wies zunächst darauf hin, dass die Kommission den Entwurf der Verordnung dem Verwaltungsausschuss für die gemeinsame Organisation der Agrarmärkte vorlegen musste. Dieser Ausschuss, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt, solle es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Wahrnehmung der ihr übertragenen Durchführungsbefugnisse durch die Kommission zu kontrollieren, wobei eine ablehnende Stellungnahme des Ausschusses die Annahme des geplanten Durchführungsrechtsakts hindert.

Vierzehntägige Frist nicht beachtet

Der EuGH betonte außerdem, dass eine Frist von mindestens 14 Tagen zwischen der Unterbreitung des Entwurfs des Durchführungsrechtsakts an den Verwaltungsausschuss und der Einberufung einer Sitzung dieses Ausschusses liegen müsse, damit der Ausschuss den Entwurf in aller Ruhe prüfen könne und die Vertreter der Mitgliedstaaten einen Standpunkt festlegen könnten, mit dem innerhalb des Ausschusses ihre jeweiligen eigenen Interessen gewahrt würden. Die Kommission habe im vorliegenden Fall dem Verwaltungsausschuss den Verordnungsentwurf erst im Laufe der zur Prüfung dieses Entwurfs einberufenen Sitzung selbst unterbreitet. Mit diesem Vorgehen habe sie die 14-tägige Frist nicht beachtet und es damit den Mitgliedern des Verwaltungsausschusses unmöglich gemacht, ihre Stellungnahme abzugeben und Änderungen vorzuschlagen. Zu der von der Kommission vorgetragenen Rechtfertigung der Nichteinhaltung der 14-tägigen Frist, nämlich einer Gefahr eines Bekanntwerdens, wies der Gerichtshof darauf hin, dass das Geltenlassen einer solchen Rechtfertigung darauf hinausliefe, die Kommission regelmäßig von der Einhaltung dieser Frist zu befreien, da solche Gefahren grundsätzlich immer bestehen würden.

Wirkungen der Regelung aufrecht erhalten

Der Gerichtshof gelangte in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Kommission einen Verfahrensfehler begangen hat, den das Gericht in seinem Urteil nicht festgestellt hat. Daher habe er das Urteil des EuG aufgehoben und die Durchführungsverordnung der Kommission für nichtig erklärt. Der EuGH betonte zudem, dass das Verfahren keinen Fehler offenbart habe, der die materielle Rechtmäßigkeit der streitigen Verordnung nach dem Unionsrecht beeinträchtige. Die streitige Verordnung für nichtig zu erklären, ohne die Aufrechterhaltung ihrer Wirkungen vorzusehen, bis sie durch einen neuen Rechtsakt ersetzt wird, würde daher nicht nur die Durchführung des Unionsrechts gefährden, sondern auch die Rechtssicherheit beeinträchtigen. Aus diesem Grund erhalte der EuGH die Wirkungen der streitigen Verordnung bis zum Inkrafttreten eines neuen Rechtsakts, der sie ersetzen soll, aufrecht.

EuGH, Urteil vom 20.09.2017 - C-183/16

Redaktion beck-aktuell, 20. September 2017.