EuGH: Niedersachsen muss Lehrer-Berufserfahrung im EU-Ausland voll anerkennen

Das Land Niedersachsen muss die Erfahrung einer Lehrkraft aus gleichwertigen Vordienstzeiten in einem anderen EU-Staat voll anerkennen. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 23.04.2020 entschieden. Die entgegenstehende Regelung des Landes verstoße gegen die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit (Az.: C‑710/18).

Land Niedersachsen erkannte nur 3 von 17 Jahren Lehrererfahrung im Ausland an

Das Land Niedersachsen hatte einer Lehrerin, die 17 Jahre in Frankreich unterrichtet hatte, bei ihrer Einstellung in Niedersachsen nur drei Jahre Berufserfahrung anerkannt. Die Lehrerin beantragte deshalb die Einstufung in eine höhere Entgeltgruppe und die rückwirkende Zahlung des höheren Entgelts. Das Land lehnte dies ab. Die Lehrerin habe ihre Berufserfahrung von mehr als drei Jahren bei einem anderen Arbeitgeber als dem Land Niedersachsen erworben. Daher könne die Berufserfahrung gemäß dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder nicht vollständig angerechnet werden.

BAG rief EuGH an

Die Lehrerin klagte dagegen vor deutschen Arbeitsgerichten. Sie sah in der begrenzten Berücksichtigung ihrer in Frankreich erworbenen Berufserfahrung eine Ungleichbehandlung, die gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit verstoße. Das Arbeitsgericht gab ihrer Klage statt. Das Landesarbeitsgericht gab der vom Land Niedersachsen eingelegten Berufung statt und hob das ArbG-Urteil auf. Das Bundesarbeitsgericht als Revisionsinstanz bat den EuGH schließlich um eine Vorabentscheidung.

EuGH: Beschränkte Anerkennung verstößt bei gleichwertigen Vordienstzeiten im EU-Ausland gegen Arbeitnehmerfreizügigkeit

Laut EuGH hatten die niedersächsischen Behörden die Berufserfahrung der Lehrerin in Frankreich als im Wesentlichen gleichwertig anerkannt. Daher könne eine Regelung, die die gleichwertigen Vordienstzeiten im EU-Ausland nicht vollständig berücksichtige, den Wechsel der Lehrerin von einem Land ins andere weniger attraktiv machen. Die Regelung beeinträchtige somit die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit. Die geringere Einstufung in Niedersachsen halte Arbeitnehmer davon ab, von einem Mitgliedstaat in den anderen zu wechseln. Auch die vom Land Niedersachsen vorgebrachten Rechtfertigungsgründe, etwa die Sicherstellung der Gleichbehandlung von befristet und unbefristet beschäftigten Arbeitnehmern oder die Bindung der Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber, griffen nicht.

EuGH, Urteil vom 23.04.2020 - C‑710/18

Redaktion beck-aktuell, 23. April 2020.