EuGH: Fluglinie haftet für Verbrühungen durch umgekippten heißen Kaffee

Eine Fluglinie haftet für Verbrühungen, die dadurch entstehen, dass während eines Fluges aus nicht geklärten Gründen heißer Kaffee umkippt. Es ist nicht erforderlich, dass ein solcher Unfall mit einem flugspezifischen Risiko zusammenhängt, wie aus einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 19.12.2019 hervorgeht (Az.: C-532/18).

Heißer Kaffee verbrühte junges Mädchen

Ein junges Mädchen verlangt von der österreichischen Fluglinie Niki Luftfahrt GmbH (in Liquidation) Schadenersatz wegen Verbrühungen, die sie erlitt, als bei einem Flug von Palma de Mallorca nach Wien der ihrem Vater servierte und vor ihm auf seinem Abstellbrett abgestellte heiße Kaffee aus nicht geklärten Gründen umkippte.

Fluglinie verneint Haftung mangels Unfalls

Die Fluglinie weist ihre Haftung zurück, weil es sich um keinen Unfall im Sinne des die Haftung von Fluglinien bei Unfällen regelnden Übereinkommens von Montreal handle. Der Begriff des Unfalls erfordere nämlich, dass sich ein flugspezifisches Risiko realisiere, woran es hier fehle. Tatsächlich konnte nicht festgestellt werden, ob der Kaffeebecher etwa wegen eines Defekts des ausklappbaren Abstellbretts oder durch ein Vibrieren des Flugzeugs kippte.

EuGH soll Unfallbegriff klären

Der Oberste Gerichtshof in Österreich hat den Gerichtshof um Klarstellungen zum Unfallbegriff des Übereinkommens von Montreal ersucht, der darin nicht definiert wird.

EuGH geht zunächst von gewöhnlicher Bedeutung des Begriffs aus

Der EuGH führt aus, dass die gewöhnliche Bedeutung, die dem Begriff "Unfall" zukommt, die eines unvorhergesehenen, unbeabsichtigten, schädigenden Ereignisses ist. Außerdem stellt er insbesondere fest, dass mit dem Übereinkommen von Montreal eine Regelung der verschuldensunabhängigen Haftung von Fluglinien eingeführt und gleichzeitig für einen „gerechten Interessenausgleich“ gesorgt werden sollte.

Schaden muss nicht auf luftfahrtspezifisches Risiko zurückgehen

Der EuGH schließt daraus, dass sowohl die gewöhnliche Bedeutung des Begriffs "Unfall" als auch die Ziele des Übereinkommens von Montreal dagegen sprechen, die Haftung der Fluglinien davon abhängig zu machen, dass der Schaden auf das Eintreten eines luftfahrtspezifischen Risikos zurückgeht oder dass es einen Zusammenhang zwischen dem "Unfall" und dem Betrieb oder der Bewegung des Flugzeugs gibt.

Haftung kann dennoch beschränkt oder ausgeschlossen sein

Der Gerichtshof erinnert daran, dass nach dem Übereinkommen von Montreal die Haftung der Fluglinien ausgeschlossen oder beschränkt werden kann. Eine Fluglinie könne sich nämlich ganz oder teilweise von ihrer Haftung befreien, indem sie nachweist, dass der Reisende den Schaden selbst verursacht oder dazu beigetragen hat. Außerdem könne sie ihre Haftung auf 100.000 „Sonderziehungsrechte“ beschränken, indem sie nachweist, dass der Schaden nicht von ihr oder aber ausschließlich von einem Dritten verschuldet wurde.

EuGH bejaht Vorliegen eines Unfalls

Der Gerichtshof antwortet dem Obersten Gerichtshof mithin, dass der in Rede stehende Begriff "Unfall" jeden an Bord eines Flugzeugs vorfallenden Sachverhalt erfasst, in dem ein bei der Fluggastbetreuung eingesetzter Gegenstand eine körperliche Verletzung eines Reisenden verursacht hat, ohne dass ermittelt werden müsste, ob der Sachverhalt auf ein luftfahrtspezifisches Risiko zurückgeht.

EuGH, Urteil vom 19.12.2019 - C-532/18

Redaktion beck-aktuell, 19. Dezember 2019.