EuGH: Flug­ge­sell­schaft muss auch für Ver­spä­tun­gen wegen nicht von ihr ver­an­stal­te­ter Teil­flü­ge aus Dritt­staa­ten haf­ten

Kommt es bei einer Flug­ver­bin­dung von einem Mit­glied­staat in einen Dritt­staat mit Um­stei­gen in einem an­de­ren Dritt­staat, die Ge­gen­stand einer ein­zi­gen Bu­chung war, zu einer gro­ßen Ver­spä­tung bei der An­kunft des zwei­ten Teil­flugs, der von einem Luft­fahrt­un­ter­neh­men von au­ßer­halb der Ge­mein­schaft durch­ge­führt wurde, so ist das Luft­fahrt­un­ter­neh­men, das den ers­ten Teil­flug durch­ge­führt hat, ver­pflich­tet, den Flug­gäs­ten einen Aus­gleich zu leis­ten. Dies hat der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Union mit Ur­teil vom 11.07.2019 ent­schie­den (Az.: C-502/18 und an­de­re).

Zwei­ter Teil­flug von Abu Dhabi nach Bang­kok stark ver­spä­tet

Elf Flug­gäs­te nah­men bei dem tsche­chi­schen Luft­fahrt­un­ter­neh­men Ceské ae­ro­li­nie eine ein­heit­li­che Bu­chung für einen Flug von Prag über Abu Dhabi in den Ver­ei­nig­ten Ara­bi­schen Emi­ra­ten nach Bang­kok vor. Der erste Teil­flug die­ses Flu­ges mit Um­stei­gen, der von Ceské ae­ro­li­nie durch­ge­führt wurde und von Prag nach Abu Dhabi ging, wurde ent­spre­chend dem Flug­plan durch­ge­führt und kam pünkt­lich in Abu Dhabi an. Da­ge­gen war der zwei­te Teil­flug, der im Rah­men einer Code­sha­ring-Ver­ein­ba­rung von Eti­had Air­ways, einem Luft­fahrt­un­ter­neh­men von au­ßer­halb der Ge­mein­schaft, durch­ge­führt wurde und von Abu Dhabi nach Bang­kok ging, bei der An­kunft um 488 Mi­nu­ten ver­spä­tet. Diese Ver­spä­tung von mehr als drei Stun­den kann nach der Ver­ord­nung über Flug­gast­rech­te (VO (EG) Nr. 261/2004) dazu füh­ren, dass Flug­gäs­ten ein An­spruch auf einen Aus­gleich zu­steht.

Ceské ae­ro­li­nie wehrt sich gegen In­an­spruch­nah­me für Ver­spä­tung

Die Flug­gäs­te er­ho­ben bei den tsche­chi­schen Ge­rich­ten Klage gegen Ceské ae­ro­li­nie auf Leis­tung des in der Ver­ord­nung über Flug­gast­rech­te vor­ge­se­he­nen Aus­gleichs. Ceské ae­ro­li­nie ar­gu­men­tier­te, dass sie für die Ver­spä­tung des Flu­ges von Abu Dhabi nach Bang­kok nicht in Haf­tung ge­nom­men wer­den könne, da die­ser Flug von einem an­de­ren Luft­fahrt­un­ter­neh­men durch­ge­führt wor­den sei. Der mit dem Rechts­streit in zwei­ter In­stanz be­fass­te Mestský soud v Praze (Stadt­ge­richt Prag) möch­te vom Ge­richts­hof wis­sen, ob Ceské ae­ro­li­nie zur Zah­lung des Aus­gleichs nach der Ver­ord­nung über Flug­gast­rech­te ver­pflich­tet ist.

EuGH: An­wen­dungs­be­reich der Flug­gast­rech­te-VO er­öff­net

Der EuGH weist zu­nächst dar­auf hin, dass ein Flug mit ein- oder mehr­ma­li­gem Um­stei­gen, der Ge­gen­stand einer ein­zi­gen Bu­chung war, für die Zwe­cke des in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Aus­gleichs eine Ge­samt­heit dar­stellt (vgl. EuGH, NJW 2018, 2032). Damit falle ein Flug mit Um­stei­gen, des­sen ers­ter Teil­flug im Ge­biet eines Mit­glied­staats star­tet, in den An­wen­dungs­be­reich der Ver­ord­nung, auch wenn sein zwei­ter Teil­flug mit Ab­flug- und Ziel­ort in einem Dritt­staat au­ßer­halb der Eu­ro­päi­schen Union von einem Luft­fahrt­un­ter­neh­men von au­ßer­halb der Ge­mein­schaft durch­ge­führt wurde.

"Aus­füh­ren­des" Luft­fahrt­un­ter­neh­men kann auch die einen Teil­flug vor­neh­men­de Air­line sein

Wei­ter stell­te der Ge­richts­hof fest, dass nach der Ver­ord­nung für Flug­gast­rech­te die Ver­pflich­tung zur Leis­tung des Aus­gleichs an die Flug­gäs­te aus­schlie­ß­lich auf dem aus­füh­ren­den Luft­fahrt­un­ter­neh­men des be­trof­fe­nen Flu­ges las­tet. Für die Ein­stu­fung eines Luft­fahrt­un­ter­neh­mens als aus­füh­ren­des Luft­fahrt­un­ter­neh­men müsse unter an­de­rem dar­ge­legt wer­den, dass die­ses Un­ter­neh­men den frag­li­chen Flug tat­säch­lich durch­ge­führt hat. Da Ceské ae­ro­li­nie im Rah­men eines mit den be­trof­fe­nen Flug­gäs­ten ge­schlos­se­nen Be­för­de­rungs­ver­trags tat­säch­lich einen Flug durch­ge­führt hat, könne sie als aus­füh­ren­des Luft­fahrt­un­ter­neh­men ein­ge­stuft wer­den.

Kein Zu­rück­zie­hen auf man­gel­haf­te Durch­füh­rung des zwei­ten Teil­flu­ges

Der Ge­richts­hof kommt folg­lich zu dem Er­geb­nis, dass Ceské ae­ro­li­nie grund­sätz­lich für den in der Ver­ord­nung vor­ge­se­he­nen Aus­gleich wegen der gro­ßen Ver­spä­tung haf­tet, ob­wohl die große Ver­spä­tung auf dem Flug von Abu Dhabi nach Bang­kok ent­stan­den und Eti­had Air­ways zu­zu­rech­nen ist. In die­sem Sinne un­ter­streicht der EuGH ins­be­son­de­re, dass sich ein aus­füh­ren­des Luft­fahrt­un­ter­neh­men, das den ers­ten Teil­flug eines Flu­ges mit ein- oder mehr­ma­li­gem Um­stei­gen durch­ge­führt hat, der Ge­gen­stand einer ein­zi­gen Bu­chung war, nicht auf die man­gel­haf­te Durch­füh­rung eines spä­te­ren, von einem an­de­ren Luft­fahrt­un­ter­neh­men durch­ge­führ­ten Teil­flugs zu­rück­zie­hen kann.

Aus­gleichs­pflich­ti­ges Un­ter­neh­men kann sich bei an­de­rer Air­line schad­los hal­ten

Schlie­ß­lich weist der EuGH dar­auf hin, dass die Ver­ord­nung über Flug­gast­rech­te einem aus­füh­ren­den Luft­fahrt­un­ter­neh­men das Recht vor­be­hält, gegen das an­de­re Un­ter­neh­men vor­zu­ge­hen, um Er­satz für die fi­nan­zi­el­le Be­las­tung zu er­hal­ten.

EuGH, Urteil vom 11.07.2019 - C-502/18

Redaktion beck-aktuell, 11. Juli 2019.

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