1946 hat Italien die Monarchie abgeschafft. Doch der Wille des Königs hat zum Teil auch heute noch Bestand, etwa in einem königlichen Dekret von 1931. Darauf gestützt hatte eine Behörde in Kalabrien einem Mann die Buchmacherlizenz verweigert. Er erfülle nicht die dort geforderte Voraussetzung des "guten Charakters" und der "Zuverlässigkeit". Die italienischen Gerichte bestätigten den Bescheid.
Insbesondere beanstandeten die Behörden, dass der Bruder des Mannes in eine Ermittlung wegen Drogenverkaufs verstrickt gewesen war. Außerdem pflege der Italiener Kontakte zu Kriminellen. Der Prüfer war der Ansicht, dass der Mann nicht über die hohen moralischen Standards verfügen könne, die das Gesetz für die Lizenz für öffentliche Sicherheit verlange.
EGMR: gesetzliche Begriffe mit der Zeit konkretisiert
Gegen die Verweigerung der Lizenz wandte sich der Italiener vor dem EGMR und berief sich auf Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) und Art. 6 § 1 EMRK (Recht auf ein faires Verfahren). Der Begriff des guten Charakters sei zu unbestimmt und der rechtliche Rahmen biete nicht die erforderlichen Garantien gegen Willkür. Überhaupt sei das Gesetz "in einer demokratischen Gesellschaft“ nicht notwendig, und die nationalen Gerichte hätten seinen Fall nicht gründlich geprüft.
Doch der EGMR war nicht auf der Seite des verhinderten Buchmachers (Urteil vom 15.05.2025 – 3795/22). Zwar sei der Begriff des "guten Charakters" tatsächlich vage und zweideutig, jedoch hätten der italienische Gesetzgeber und die Verwaltungspraxis ihn mit der Zeit konkretisiert und an das Konzept der "guten Führung" angepasst.
Gerichte haben umfassend geprüft
Auch eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren wollte der EGMR nicht anerkennen. Zwar müsse der weite Ermessensspielraum der Behörde bei der Lizenz-Erteilung einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Diese sei aber gegeben, so der EGMR. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch die höheren Instanzen hätten die Argumente des Italieners umfassend geprüft – jedenfalls gründlich genug, um ihn vor willkürlichen Eingriffen in seine Grundrechte zu schützen.
Dabei hätten die Gerichte gut argumentiert. Aufgrund eines "besonderen regionalen Kontextes" müsse sichergestellt sein, dass eine Lizenz für die Buchmacherei nur vertrauenswürdigen Personen erteilt werde, um das Risiko der Geldwäsche oder anderer Straftaten zu vermeiden. Die Begründung der Gerichte sei zwar kurz, aber dennoch auf eine angemessene Würdigung des Sachverhalts gestützt. Die Argumente des Antragstellers seien gehört worden. Der EGMR habe keine Willkür feststellen können.