DAV kritisiert von FDP geplante Änderungen der §§ 174, 410 BGB

Der Deutsche Anwaltverein kritisiert in einer Stellungnahme vom Januar 2020 die von der FDP in ihrem Gesetzentwurf "zur Modernisierung des Rechtsdienstleistungsrechts" (BT-Drs. 19/9527) vorgesehenen Änderungen der §§ 174 und 410 BGB, wonach der Geschäftsgegner beziehungsweise der Schuldner eine in Textform abgegebene Erklärung hinnehmen müssten. Der von der FDP verfolgte Zweck, Verbrauchern durch Digitalisierung von Willenserklärungen eine niedrigschwellige Möglichkeit zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu geben, rechtfertige die vorgeschlagenen Änderungen nicht, so der DAV.

DAV: Bislang ausgewogenes System wird ausgehebelt

Durch die §§ 174 und 410 BGB-E solle das bewährte und ausgewogene System des BGB zu den Voraussetzungen ausgehebelt werden, unter denen der Einzelne den durch bestimmte Urkunden geschaffenen Rechtsschein akzeptieren müsse, sich dann aber umgekehrt auch auf diesen Rechtsschein verlassen könne, schreibt der DAV. Nach § 174 BGB-E solle der Geschäftsgegner – der Schuldner bei § 410 BGB-E – eine in Textform abgegebene Erklärung hinnehmen müssen, während nach dem Entwurf nicht vorgesehen sei, dass er sich auf diese Urkunde auch verlassen könne. Wenn die in Textform vorgelegte Erklärung tatsächlich nicht vom Vollmachtgeber/Gläubiger stamme, sei der Tatbestand der Vorschrift nicht gegeben. Woher solle aber der Geschäftspartner/Schuldner wissen, ob die in Textform vorgelegte Erklärung tatsächlich von dem (angeblichen) Vollmachtgeber oder dem Gläubiger stamme, fragt sich der DAV.

§ 174 BGB-E läuft besonderem Schutz bei einseitigen Rechtsgeschäften zuwider

Weiter moniert der DAV, dass die geplante Änderung des § 174 BGB der sonstigen Gewichtung der Interessen diametral zuwiderlaufe. Beim Abschluss eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts könne der Geschäftspartner entscheiden, ob er sich auf die Vollmacht oder das vorgelegte Papier verlasse. Bei einseitigen Rechtsgeschäften sei er nur passiv an der Vornahme beteiligt. Deshalb sei nach § 180 BGB eine Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einseitigen Rechtsgeschäften im Grundsatz ausgeschlossen und eben dies sei der Grund für § 174 BGB. Nach dem Entwurf solle das genau umgekehrt werden. Der Adressat des einseitigen Rechtsgeschäfts solle ohne den Nachweis einer wirksamen Bevollmächtigung an die angebliche Erklärung des Vollmachtgebers gebunden sein. Eine Möglichkeit der Überprüfung habe er nicht. Mindestens müsste deshalb vorgesehen werden, dass im Rahmen des § 174 BGB für die Erklärung der Bevollmächtigung in Textform § 172 BGB entsprechend gelte, also der (angebliche) Vollmachtgeber die Urkunde gegen sich gelten lassen müsse, auch wenn sie nicht von ihm stamme. Das sei nicht vorgesehen und ginge wohl auch zu weit, so der DAV.

§ 410 BGB-E läuft Schuldnerschutz zuwider

Der Schuldner, einer (angeblich) abgetretenen Forderung sei in einer ähnlichen Lage wie der Adressat eines von einem Vertreter (aufgrund angeblicher Vollmacht) vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts, schreibt der DAV weiter. Der § 410 BGB in seiner geltenden Fassung stehe in einem unmittelbaren Zusammenhang mit § 409 BGB, wonach sich der Schuldner auf eine ihm vorgelegte Abtretungsurkunde oder Abtretungsanzeige verlassen könne. Wenn gemäß § 410 BGB-E der Schuldner auch ohne Vorlage einer unterzeichneten Abtretungserklärung oder Abtretungsanzeige zur Zahlung verpflichtet sei, bestehe die Gefahr, dass er leisten müsse, obwohl er in einem Vertrauen auf die Wirksamkeit der Abtretung oder Abtretungsanzeige nicht geschützt sei. Deshalb müsste § 409 BGB entsprechend geändert werden, wenn § 410 BGB gemäß dem Entwurf geändert werde. Auch dies sei nicht vorgesehen und ginge zu weit, so der DAV.

Redaktion beck-aktuell, 21. Januar 2020.