Eine Art Verwendungszweck bei fragwürdigen Transaktionen
Interessant war die Darstellung des Angeklagten, dass es bei den fragwürdigen Transaktionen eine Referenznummer gab. Dadurch hätte den Beteiligten klar gewesen sein müssen, dass es sich um "Cum-Ex"-Geschäfte und damit keine echten Dividendenzahlungen gehandelt habe. Bisher ist aus der Bankenbranche zu hören, dass sie das mangels Transparenz am Markt nichts von den Geschäften hätte wissen können.
Nebenbeteiligte könnten kräftig zur Kasse gebeten werden
Neben dem 41-Jährigen ist ein weiterer, 38 Jahre alter Brite angeklagt. Beide waren gemeinsam zunächst Aktienhändler bei der Hypovereinsbank (HVB) in London. 2008 gründete der heute 41-Jährige zusammen mit einem Partner eine Investmentberatung namens Ballance, die im großen Stil "Cum-Ex"-Geschäfte vermittelte. Kunde wurde zum Beispiel die Hamburger Privatbank M.M. Warburg, die mit zwei verschiedenen Firmen aus ihrem Konzern als sogenannter Nebenbeteiligter in dem Gerichtsverfahren mit von der Partie ist. Drei andere Finanzinstitute sind ebenfalls Nebenbeteiligte – sie alle könnten kräftig zur Kasse gebeten werden.
Angeklagter benennt zahlreiche Beteiligte
Der Angeklagte beschrieb die Zusammenarbeit mit M.M. Warburg als sehr wichtig für sein Unternehmen. Nach der Gründung von Ballance 2008 war ein Beratervertrag mit den Hamburgern nach seiner Darstellung eine Art Visitenkarte, um weitere Kunden zu bekommen. "Diese Unterstützung war ein bedeutender Meilenstein", sagte der Angeklagte. Neben Warburg nannte er auch die Deutsche Bank, seinen Ex-Arbeitgeber HVB und die Deutsche-Börse-Tochter Clearstream sowie zahlreiche Weitere als Beteiligte bei "Cum-Ex"-Geschäften.
Angeklagter will von Steuerrecht wenig verstanden haben
Zu den konkreten Vorwürfen gegen ihn äußerte er sich zunächst nicht, dies war für den Nachmittag des 19.09.2019 geplant. Er machte aber deutlich, dass er von Steuerrecht wenig verstanden habe. So habe sich sein 2018 liquidiertes Unternehmen bei der rechtlichen Einschätzung auf Gutachten der Anwaltskanzlei Freshfields verlassen. Zudem nannte er den Namen eines deutschen Anwalts, der im Fokus der deutschen Justiz ist, bisher aber noch nicht vor Gericht stand. Dieser Anwalt habe 2006 – also noch zu HVB-Zeiten des Angeklagten – gesagt, "dass weder in ökonomischer noch in juristischer Hinsicht diese Transaktionen ein besonders riskantes Geschäft" seien.
Aktienhändler stellt sich eher als technischer Konstrukteur dar
Damit wird die Verteidigungslinie klar: Der Angeklagte räumte seine Beteiligung an "Cum-Ex"-Geschäften ein und gibt umfassend Einblick. Zugleich stellte er sich aber als eher technischer Konstrukteur dar, der keinen direkten Kundenkontakt hatte und in die rechtliche Bewertung nicht eingebunden war.
Prozess gilt als wegweisend
Der Prozess gilt als wegweisend. Denn in der Öffentlichkeit gibt es zwar die einhellige Meinung, dass es bei der Mehrfacherstattung von Steuern nicht mit rechten Dingen zugegangen sein kann. Allerdings hat bisher noch kein Gericht entschieden, ob "Cum-Ex" eine Straftat war oder nur dreiste Abzocke, die ein Schlupfloch im Gesetz nutzte. Dieses Schlupfloch wurde 2012 geschlossen. Schätzungen zufolge könnte "Cum-Ex" den deutschen Staat rund 30 Milliarden Euro gekostet haben.