Ohne Beratungsmandat kein Zugang zu Asyleinrichtung für NGO
20

Eine Nichtregierungsorganisation (NGO), die Asylverfahrensberatung durchführt, hat keinen Anspruch auf Zugang ihres Beratungspersonals und Zufahrt eines als Beratungsraum genutzten Busses zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende, um dort eine nicht zuvor angefragte Asylverfahrensberatung anzubieten. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden. Ein solcher Anspruch ergebe sich weder aus der Regelung zur Asylverfahrensberatung noch aus der Aufnahmerichtlinie.

Unmandatierten Zugang zu Asyleinrichtungen begehrt

Der Kläger, eine NGO, begehrt für seinen "Infobus für Flüchtlinge" und seine Mitarbeiter die Zufahrt und den Zugang zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen des beklagten Freistaats Bayern, um Asylsuchende zu beraten.  Der Beklagte hat im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht klargestellt, dass er den beratenden Personen den Zugang nicht verweigere, soweit diese ähnlich einem "mandatierten Rechtsanwalt" konkret von einem Asylsuchenden zur Beratung angefragt worden seien. Die hinsichtlich eines unmandatierten Zugangs und der Buszufahrt fortgeführte Klage hatte in erster Instanz teilweise Erfolg.

VGH München sieht keine Rechtsgrundlage

Der Verwaltungsgerichtshof Bayern in München hat sie hingegen insgesamt abgewiesen. Der Beklagte habe den anlasslosen Zugang des Beratungspersonals und die Zufahrt mit dem Infobus rechtsfehlerfrei versagt, so der VGH. Ein darauf gerichteter Anspruch des Klägers ergebe sich insbesondere weder aus der Regelung über die Asylverfahrensberatung in § 12a AsylG (Fassung bis 31.12.2022) noch aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU). Das in der Richtlinie normierte Zugangsrecht sei von einer vorherigen Beauftragung durch einen Asylsuchenden abhängig.

BVerwG: Anspruch weder aus AsylG noch aus EU-Recht

Das BVerwG hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Der geltend gemachte Zugangsanspruch bestehe weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht; damit könne auch die Zufahrt des Infobusses nicht beansprucht werden, so die Leipziger Richter. Der nach Ergehen des Berufungsurteils zum 01.01.2023 neu gefasste § 12a AsylG sehe zwar nunmehr eine behördenunabhängige, staatlich geförderte Asylverfahrensberatung vor. Er umfasse indes auch aktuell jedenfalls keinen von vorheriger Mandatierung unabhängigen Anspruch von Trägern der Asylverfahrensberatung auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen. Einen solchen Anspruch könne der Kläger nach den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht aus einer bisherigen Verwaltungspraxis in Verbindung mit dem Grundsatz des Vertrauensschutzes oder aus dem Gebot der Gleichbehandlung mit anderen zugangsberechtigten Organisationen herleiten, so das BVerwG weiter. Unionsrechtlich gewährten weder die Asylverfahrensrichtlinie (RL 2013/32/EU) noch Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) Rechtsberatern und entsprechenden Nichtregierungsorganisationen einen Anspruch auf Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen ohne vorherige Beauftragung durch einen Asylsuchenden.

Zugang setzt Beratungswunsch voraus

Der nach der letztgenannten Regelung sicherzustellende Zugang von Rechtsbeiständen oder Beratern und einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen, um den Antragstellern zu helfen, setze nach Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der Norm den zuvor durch einen bestimmten Asylsuchenden geäußerten Beratungswunsch voraus, so das BVerwG. Die effektive Wahrnehmung der Beratungsmöglichkeit werde dadurch auch nicht unangemessen erschwert. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf erneute Entscheidung über sein Zugangsbegehren. Denn die ablehnende Entscheidung des Beklagten, der die Zugangspraxis unter anderem mit dem Ruhebedürfnis und den Sicherheitsinteressen der in einer Aufnahmeeinrichtung untergebrachten Asylsuchenden begründet hat, weise keinen Ermessensfehler auf.

BVerwG, Urteil vom 28.03.2023 - 1 C 40.21

Redaktion beck-aktuell, Gitta Kharraz, 29. März 2023.