BVerfG: Ver­bot des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs bei Erst­aus­bil­dun­gen ver­fas­sungs­ge­mäß

Dass Kos­ten für eine Erst­aus­bil­dung, ob Be­rufs­aus­bil­dung oder Stu­di­um, nicht als Wer­bungs­kos­ten ab­ge­setzt wer­den kön­nen, ver­stö­ßt nicht gegen das Grund­ge­setz. Dies hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt mit Be­schluss vom 19.11.2019 auf Vor­la­ge des Bun­des­fi­nanz­hofs ent­schie­den. Die Erst­aus­bil­dung habe per­sön­lich­keits­prä­gen­den Cha­rak­ter, so­dass der Ge­setz­ge­ber die Kos­ten dafür als pri­vat (mit-)ver­an­lasst habe qua­li­fi­zie­ren und den Son­der­aus­ga­ben zu­ord­nen dür­fen (Az.: 2 BvL 22/14 - 2 BvL 27/14).

Kos­ten für Erst­aus­bil­dung und Erst­stu­di­um nur als Son­der­aus­ga­ben ab­setz­bar

§ 9 Abs. 6 EStG in der Fas­sung des Bei­trei­bungs­richt­li­nie-Um­set­zungs­ge­set­zes vom 07.12.2011 nimmt Auf­wen­dun­gen für die erst­ma­li­ge Be­rufs­aus­bil­dung oder für ein Erst­stu­di­um, das zu­gleich eine Erst­aus­bil­dung ver­mit­telt, ge­ne­rell von dem Be­griff der Wer­bungs­kos­ten aus. Die Vor­schrift kon­kre­ti­siert den all­ge­mei­nen Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs­tat­be­stand des § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG a. F. da­hin­ge­hend, dass diese Auf­wen­dun­gen in kei­nem Fall be­ruf­lich ver­an­lasst und damit weder un­be­schränkt ab­zugs­fä­hig sind noch als ne­ga­ti­ve Ein­künf­te in an­de­re Ver­an­la­gungs­zeit­räu­me zu­rück- oder vor­ge­tra­gen wer­den kön­nen. Statt­des­sen min­dern sie le­dig­lich als Son­der­aus­ga­ben - in den Streit­jah­ren bis zur Höhe von 4.000 Euro, heute bis zur Höhe von 6.000 Euro - das zu ver­steu­ern­de Ein­kom­men in dem Jahr, in dem sie an­fal­len.

Kos­ten für wei­te­re Aus­bil­dun­gen kön­nen als Wer­bungs­kos­ten ab­zugs­fä­hig sein

Da­ge­gen kön­nen Auf­wen­dun­gen für wei­te­re Aus­bil­dun­gen und für Erst­aus­bil­dun­gen, die im Rah­men eines Dienst­ver­hält­nis­ses statt­fin­den, wie an­de­re Auf­wen­dun­gen zur Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung der Ein­nah­men als Wer­bungs­kos­ten ab­zugs­fä­hig sein, so­weit sie be­ruf­lich ver­an­lasst sind. Eine be­ruf­li­che Ver­an­las­sung ist nach der Recht­spre­chung des Bun­des­fi­nanz­hofs ge­ge­ben, wenn ein ob­jek­ti­ver Zu­sam­men­hang mit dem Beruf be­steht und die Auf­wen­dun­gen sub­jek­tiv zur För­de­rung des Be­rufs ge­tä­tigt wer­den. Ein Wer­bungs­kos­ten­ab­zug setzt nicht vor­aus, dass der Steu­er­pflich­ti­ge ge­gen­wär­tig be­reits Ein­nah­men er­zielt. Er­for­der­lich ist, dass die Auf­wen­dun­gen in einem hin­rei­chend kon­kre­ten, ob­jek­tiv fest­stell­ba­ren Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang mit spä­te­ren Ein­nah­men ste­hen.

BFH: Ver­bot des Wer­bungs­kos­ten­ab­zugs ver­fas­sungs­kon­form?

Die Klä­ger der sechs Aus­gangs­ver­fah­ren be­gehr­ten je­weils die An­er­ken­nung der Kos­ten für ihr Erst­stu­di­um be­zie­hungs­wei­se für ihre Aus­bil­dung zum Flug­zeug­füh­rer als Wer­bungs­kos­ten. In der Re­vi­si­ons­in­stanz setz­te der BFH alle Ver­fah­ren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Ent­schei­dung vor, ob § 9 Abs. 6 EStG in der Fas­sung des Bei­trei­bungs­richt­li­nie-Um­set­zungs­ge­set­zes vom 07.12.2011 in­so­weit mit dem Grund­ge­setz ver­ein­bar ist, als da­nach Auf­wen­dun­gen des Steu­er­pflich­ti­gen für seine erst­ma­li­ge Be­rufs­aus­bil­dung oder für ein Erst­stu­di­um, das zu­gleich eine Erst­aus­bil­dung ver­mit­telt, keine Wer­bungs­kos­ten sind, wenn diese Be­rufs­aus­bil­dung oder die­ses Erst­stu­di­um nicht im Rah­men eines Dienst­ver­hält­nis­ses statt­fin­det und auch keine wei­te­ren ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Re­ge­lun­gen be­stehen, nach denen die vom Ab­zugs­ver­bot be­trof­fe­nen Auf­wen­dun­gen die ein­kom­men­steu­er­li­che Be­mes­sungs­grund­la­ge min­dern.

BVerfG: Ab­zugs­ver­bot für Erst­aus­bil­dungs­kos­ten mit ein Art. 3 Abs. 1 GG ver­ein­bar

Das BVerfG hat ent­schie­den, dass § 9 Abs. 6 EStG a. F. mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG ver­ein­bar ist. Die Vor­schrift be­wir­ke zwar eine steu­er­li­che Un­gleich­be­hand­lung von Erst­aus­bil­dungs­kos­ten und Auf­wen­dun­gen zur Er­wer­bung, Si­che­rung und Er­hal­tung von Ein­nah­men, zu denen auch Auf­wen­dun­gen für zwei­te oder wei­te­re Aus­bil­dun­gen sowie Auf­wen­dun­gen für eine erste Be­rufs­aus­bil­dung oder ein Erst­stu­di­um ge­hö­ren könn­ten, die im Rah­men eines Dienst­ver­hält­nis­ses statt­fin­den. Diese Dif­fe­ren­zie­rung sei aber ge­recht­fer­tigt. Maß­stab sei dabei das Will­kür­ver­bot, da 9 Abs. 6 EStG a. F. keine ob­jek­tiv be­rufs­re­geln­de Ten­denz habe. Will­kür­lich sei die Dif­fe­ren­zie­rung nicht, weil es für die Zu­ord­nung der Erst­aus­bil­dungs­kos­ten zu den Son­der­aus­ga­ben sach­lich ein­leuch­ten­de Grün­de gebe.  

Kos­ten we­sent­lich pri­vat (mit-)ver­an­lasst: Erst­aus­bil­dung per­sön­lich­keits­prä­gend

Laut BVerfG durf­te der Ge­setz­ge­ber diese Auf­wen­dun­gen als we­sent­lich pri­vat (mit-)ver­an­lasst qua­li­fi­zie­ren. Nach Auf­fas­sung des Ge­setz­ge­bers ge­hö­re die erste Be­rufs­aus­bil­dung ty­pi­scher­wei­se zu den Grund­vor­aus­set­zun­gen für die Le­bens­füh­rung, weil sie Vor­sor­ge für die per­sön­li­che Exis­tenz be­deu­te und dem Er­werb einer selbst­stän­di­gen und ge­si­cher­ten Po­si­ti­on im Leben diene. Er ordne des­halb Auf­wen­dun­gen für die erste Be­rufs­aus­bil­dung eben­so wie Auf­wen­dun­gen für Er­zie­hung und an­de­re Grund­be­dürf­nis­se schwer­punkt­mä­ßig den Kos­ten der Le­bens­füh­rung zu. Diese Wer­tung des Ge­setz­ge­bers sei nicht zu be­an­stan­den. Die Erst­aus­bil­dung oder das Erst­stu­di­um un­mit­tel­bar nach dem Schul­ab­schluss ver­mit­tel­ten nicht nur Be­rufs­wis­sen, son­dern präg­ten die Per­son in einem um­fas­sen­de­ren Sinne, indem sie die Mög­lich­keit böten, sich sei­nen Be­ga­bun­gen und Fä­hig­kei­ten ent­spre­chend zu ent­wi­ckeln und all­ge­mei­ne Kom­pe­ten­zen zu er­wer­ben, die nicht zwangs­läu­fig für einen künf­ti­gen Beruf not­wen­dig seien. Sie wie­sen damit eine be­son­de­re Nähe zur Per­sön­lich­keits­ent­wick­lung auf.

Erst­aus­bil­dung noch von el­ter­li­cher Un­ter­halts­pflicht um­fasst

Die Qua­li­fi­ka­ti­on der dafür er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen als durch die all­ge­mei­ne Le­bens­füh­rung (pri­vat) ver­an­lasst kor­re­spon­die­re damit, dass eine Erst­aus­bil­dung noch von der Un­ter­halts­pflicht der El­tern um­fasst sei. Diese schul­de­ten - in den Gren­zen ihrer wirt­schaft­li­chen Leis­tungs­fä­hig­keit - eine Be­rufs­aus­bil­dung, die der Be­ga­bung und den Fä­hig­kei­ten, dem Leis­tungs­wil­len und den be­ach­tens­wer­ten Nei­gun­gen des Kin­des am bes­ten ent­spre­che. Die bei man­geln­der Leis­tungs­fä­hig­keit der El­tern an die Stel­le tre­ten­den so­zi­al­recht­li­chen Leis­tun­gen wür­den dem­entspre­chend der Bil­dungs­för­de­rung und nicht der Ar­beits­för­de­rung zu­ge­rech­net.

Ty­pi­scher­wei­se ge­rin­ger Zu­sam­men­hang mit kon­kre­tem spä­te­rem Beruf

Der Ge­setz­ge­ber habe auch den ob­jek­ti­ven Zu­sam­men­hang mit einem kon­kre­ten spä­te­ren Beruf als ty­pi­scher­wei­se ge­ring aus­ge­prägt be­wer­ten dür­fen, führt das BVerfG wei­ter aus. Die Re­ge­lung er­fas­se ins­be­son­de­re rein schu­li­sche Aus­bil­dun­gen und das Hoch­schul­stu­di­um un­mit­tel­bar im An­schluss an den zum Stu­di­um be­rech­ti­gen­den Schul­ab­schluss. Die schu­li­sche Aus­bil­dung und das Stu­di­um er­öff­ne­ten re­gel­mä­ßig eine Viel­zahl von un­ter­schied­li­chen Be­rufs­mög­lich­kei­ten. Sie seien häu­fig breit an­ge­legt, so dass erst zu Be­ginn oder wäh­rend der Be­rufs­tä­tig­keit eine Spe­zia­li­sie­rung statt­fin­de. Zudem gebe es zahl­rei­che Stu­di­en­gän­ge, die nicht ohne wei­te­res in kon­kre­te Be­rufs­fel­der mün­de­ten, und um­ge­kehrt Be­rufs­fel­der, für die es nicht ma­ß­geb­lich auf ein be­stimm­tes Stu­di­um an­kom­me, son­dern dar­auf, dass über­haupt ein Stu­di­um ab­sol­viert wor­den sei.

Erst­aus­bil­dun­gen mit kon­kre­tem Be­rufs­be­zug als Aus­nah­men ver­nach­läs­sig­bar

Das BVerfG räumt ein, dass der Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang mit der aus­ge­üb­ten Er­werbs­tä­tig­keit zwar ge­ra­de bei der Aus­bil­dung zum Be­rufs­pi­lo­ten sehr kon­kret sei. Die Bun­des­re­gie­rung lege je­doch in ihrer Stel­lung­nah­me dar, dass es sich dabei um eine zah­len­mä­ßig un­be­deu­ten­de Son­der­kon­stel­la­ti­on han­de­le. Die ge­rin­ge Zahl spre­che dafür, dass der Ge­setz­ge­ber diese Fälle in Aus­übung sei­ner Ty­pi­sie­rungs­kom­pe­tenz habe ver­nach­läs­si­gen dür­fen, weil er sich grund­sätz­lich am Re­gel­fall ori­en­tie­ren dürfe und nicht ge­hal­ten sei, allen Be­son­der­hei­ten je­weils durch Son­der­re­ge­lun­gen Rech­nung zu tra­gen.

Ge­setz­ge­ber durf­te je­den­falls ge­mischt ver­an­lass­ten Auf­wand an­neh­men

Dem BVerfG zu­fol­ge kommt es dar­auf aber letzt­lich nicht an. Denn auch bei einer stark auf einen be­stimm­ten spä­te­ren Beruf aus­ge­rich­te­ten Erst­aus­bil­dung liege eine pri­va­te Mit­ver­an­las­sung vor. Dass eine be­ruf­li­che Ver­an­las­sung über­wie­ge und den Schwer­punkt bilde, in­di­zie­re noch nicht zwangs­läu­fig eine un­be­deu­ten­de pri­va­te Mit­ver­an­las­sung und um­ge­kehrt. Der Ge­setz­ge­ber habe des­halb je­den­falls von ge­mischt ver­an­lass­tem Auf­wand aus­ge­hen dür­fen, bei dem pri­va­te und be­ruf­li­che Ver­an­las­sungs­ele­men­te un­trenn­bar seien und den er daher sys­te­ma­tisch den Son­der­aus­ga­ben habe zu­ord­nen dür­fen. Auch Erst­aus­bil­dun­gen, die wie die Pi­lo­ten­aus­bil­dung einen kon­kre­ten Ver­an­las­sungs­zu­sam­men­hang mit einer spä­ter aus­ge­üb­ten Er­werbs­tä­tig­keit auf­wie­sen, schaff­ten erst­ma­lig die Vor­aus­set­zun­gen für eine selbst­be­stimm­te Le­bens­füh­rung und ver­mit­tel­ten Kom­pe­ten­zen, die all­ge­mein die Le­bens­füh­rung der Aus­zu­bil­den­den be­ein­flus­sen.

He­te­ro­ge­ni­tät der Grün­de für Zweit­aus­bil­dung hin­dert Ty­pi­sie­rung als ma­ß­geb­lich pri­vat (mit-)ver­an­lasst

Nach An­sicht des BVerfG ist die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Erst­aus­bil­dungs­auf­wand und den Auf­wen­dun­gen für Zweit- und wei­te­re Aus­bil­dun­gen gleich­heits­recht­lich eben­falls nicht zu be­an­stan­den. Für letz­te­re rich­te sich die Zu­ord­nung zu den Wer­bungs­kos­ten nach den ein­fach­recht­li­chen Grund­sät­zen. Ent­schei­dend sei mit­hin, ob im Ein­zel­fall eine be­ruf­li­che Ver­an­las­sung ge­ge­ben sei. Diese Re­ge­lung sei sach­lich ge­recht­fer­tigt, weil die Grün­de für eine Zweit- oder wei­te­re Aus­bil­dung so he­te­ro­gen seien, dass sie sich einer ty­pi­sie­ren­den Er­fas­sung als ma­ß­geb­lich pri­vat (mit-)ver­an­lasst ent­zö­gen. Unter die wei­te­ren Aus­bil­dun­gen fie­len Fort- und Wei­ter­bil­dun­gen für den be­reits aus­ge­üb­ten Beruf oder für eine Spe­zia­li­sie­rung in der bis­he­ri­gen Be­rufs­tä­tig­keit eben­so wie Um­schu­lun­gen oder eine völ­li­ge be­ruf­li­che Neu­ori­en­tie­rung. Die Mo­ti­ve für eine Zweit­aus­bil­dung könn­ten mit­hin sehr un­ter­schied­lich sein. Da Zweit­aus­bil­dun­gen nicht mehr in den Grenz­be­reich zwi­schen all­ge­mein­bil­den­der Schu­le und erst­ma­li­ger Er­werbs­tä­tig­keit fie­len, fehle ihnen zu­gleich das Erst­aus­bil­dun­gen ver­bin­den­de Ele­ment, dass sie Grund­vor­aus­set­zung für die per­sön­li­che Ent­wick­lung und die Er­lan­gung und Fes­ti­gung einer ge­sell­schaft­li­chen Stel­lung seien.

Wer­bungs­kos­ten­ab­zug bei Erst­aus­bil­dun­gen in­ner­halb eines Dienst­ver­hält­nis­ses ge­recht­fer­tigt

Auch für die Dif­fe­ren­zie­rung zwi­schen Erst­aus­bil­dun­gen und Erst­stu­di­en­gän­gen in­ner­halb und au­ßer­halb eines Dienst­ver­hält­nis­ses sieht das BVerfG einen sach­lich ein­leuch­ten­den Grund ge­ge­ben. Das Be­stehen eines Dienst­ver­hält­nis­ses habe zur Folge, dass die Aus­zu­bil­den­den zur Teil­nah­me so­wohl an einer be­trieb­li­chen als auch an einer schu­li­schen oder uni­ver­si­tä­ren Aus­bil­dung ver­pflich­tet seien. Gleich­zei­tig er­hiel­ten sie eine Ver­gü­tung, auch für den schu­li­schen Teil der Aus­bil­dung. Es sei des­halb nicht will­kür­lich, bei den Aus­zu­bil­den­den an­fal­len­de Aus­bil­dungs­kos­ten (auch) als Auf­wen­dun­gen zur Si­che­rung von Ein­nah­men aus dem Aus­bil­dungs­ver­hält­nis zu be­wer­ten. Zwar schaf­fe auch die Erst­aus­bil­dung, die in­ner­halb eines Dienst­ver­hält­nis­ses er­fol­ge, die Vor­aus­set­zun­gen für eine selbst­be­stimm­te Le­bens­füh­rung und ver­mit­te­le Kom­pe­ten­zen, die all­ge­mein die Le­bens­füh­rung der Aus­zu­bil­den­den be­ein­fluss­ten. Die im Rah­men des Aus­bil­dungs­dienst­ver­hält­nis­ses be­reits ak­tu­ell aus­ge­üb­te Er­werbs­tä­tig­keit sei je­doch ein sach­li­cher Grund, der den Ge­setz­ge­ber be­rech­ti­ge, zu dif­fe­ren­zie­ren.

Be­gren­zung des Son­der­aus­ga­ben­ab­zugs ver­fas­sungs­ge­mäß

Schlie­ß­lich hält das BVerfG auch die Be­gren­zung des Son­der­aus­ga­ben­ab­zugs für Erst­aus­bil­dungs­kos­ten auf einen Höchst­be­trag von 4.000 Euro in den Streit­jah­ren für ver­fas­sungs­kon­form. Sie ver­sto­ße nicht gegen das Gebot der Steu­er­frei­heit des Exis­tenz­mi­ni­mums. Der exis­ten­zi­el­le Be­darf des Aus­zu­bil­den­den werde wäh­rend der Erst­aus­bil­dung grund­sätz­lich durch die zi­vil­recht­li­che Un­ter­halts­pflicht der El­tern ge­deckt. Al­ter­na­tiv oder ku­mu­la­tiv er­fol­ge eine so­zi­al­recht­li­che fi­nan­zi­el­le Un­ter­stüt­zung, vor­ran­gig durch An­sprü­che auf Leis­tun­gen nach dem Bun­des­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz. So­weit die Aus­zu­bil­den­den/Stu­die­ren­den ei­ge­nes Ein­kom­men hät­ten, werde das Exis­tenz­mi­ni­mum durch den Grund­frei­be­trag ab­ge­deckt. Er habe in den Streit­jah­ren 2004 bis 2008 je­weils 7.664 Euro be­tra­gen.

Höchst­be­trag über­schrei­ten­de Kos­ten nicht dem Exis­tenz­mi­ni­mum zu­re­chen­bar

Zu­sätz­lich seien die Erst­aus­bil­dungs­kos­ten in den Streit­jah­ren nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG a. F. als Son­der­aus­ga­ben bis zu einer Höhe von 4.000 Euro be­rück­sich­tigt wor­den. Seit dem Ver­an­la­gungs­zeit­raum 2012 gelte eine Höchst­gren­ze von 6.000 Euro. Je­den­falls ein dar­über hin­aus­ge­hen­der Aus­bil­dungs­auf­wand sei nicht dem Exis­tenz­mi­ni­mum zu­zu­rech­nen. Ver­gleichs­ebe­ne für die Quan­ti­fi­zie­rung des Exis­tenz­mi­ni­mums sei das so­zi­al­hil­fe­recht­lich ge­währ­leis­te­te Leis­tungs­ni­veau. Auf­wen­dun­gen im Sinn von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in einer Höhe, die den Höchst­be­trag der da­nach ab­zugs­fä­hi­gen Son­der­aus­ga­ben über­schrei­te, seien weder von der So­zi­al­hil­fe noch von den Leis­tun­gen nach dem Bun­des­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz um­fasst.

Kein Ver­stoß gegen Art. 12 GG: Kos­ten einer Erst­aus­bil­dung ty­pi­scher­wei­se rea­li­täts­ge­recht ab­ge­bil­det

Die Höchst­be­trags­gren­ze sei schlie­ß­lich auch bei einer Wür­di­gung von Erst­aus­bil­dungs­auf­wand im Licht be­trof­fe­ner Grund­rech­te, zu der der Ge­setz­ge­ber auch dann ver­pflich­tet sei, wenn er die­sen zu­läs­si­ger­wei­se der Sphä­re der all­ge­mei­nen (pri­va­ten) Le­bens­füh­rung zu­ord­ne, nicht zu be­an­stan­den, so das BVerfG. In der ganz über­wie­gen­den Zahl der Fälle bilde § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG die er­for­der­li­chen Kos­ten für eine ei­ge­ne Erst­aus­bil­dung rea­li­täts­ge­recht ab. Bei der Pi­lo­ten­aus­bil­dung han­de­le es sich um Son­der­fäl­le, die nicht den ty­pi­schen Fall der Erst­aus­bil­dung dar­stell­ten.

Aus­bil­dungs­kos­ten nicht mit er­werbs­be­ding­ten Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten ver­gleich­bar

Im Üb­ri­gen sei es in wei­tem Um­fang der frei­en Ge­stal­tung des Ge­setz­ge­bers über­las­sen, wie er der ob­jek­tiv-recht­li­chen Wert­ent­schei­dung zu­guns­ten eines frei­heit­li­chen Be­rufs- und Aus­bil­dungs­we­sens Rech­nung trage. Art. 12 GG ge­bie­te je­den­falls nicht eine un­ein­ge­schränk­te steu­er­li­che Ent­las­tung wegen Erst­aus­bil­dungs­auf­wand in be­lie­bi­ger Höhe auf Kos­ten der All­ge­mein­heit. In­so­fern un­ter­schie­den sich Aus­bil­dungs­kos­ten etwa von er­werbs­be­ding­ten Kin­der­be­treu­ungs­kos­ten. Letz­te­re seien unter dem be­son­de­ren Schutz von Art. 6 Abs. 1 GG zwangs­läu­fi­ger Auf­wand, weil der Ge­setz­ge­ber dem Steu­er­pflich­ti­gen nicht die "Ver­meid­bar­keit" ihrer Kin­der ent­ge­gen­hal­ten dürfe. Für eine be­son­ders kost­spie­li­ge Erst­aus­bil­dung gelte das je­den­falls nicht in dem­sel­ben Maße. Bei der steu­er­recht­li­chen Be­rück­sich­ti­gung von Aus­bil­dungs­kos­ten dürfe der Ge­setz­ge­ber auch ein­be­zie­hen, dass der Staat die Aus­bil­dung durch die Be­reit­stel­lung des öf­fent­li­chen Bil­dungs­we­sens und durch Leis­tun­gen nach dem Bun­des­aus­bil­dungs­för­de­rungs­ge­setz be­reits för­de­re.  

BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019 - 2 BvL 22/14

Redaktion beck-aktuell, 10. Januar 2020.