BVerfG: Journalistin scheitert mit Verfassungsbeschwerde auf Zugang zu in Besitz privater Stiftungen befindlichen Akten

Eine Journalistin, die Zugang zu Akten des Bundeskanzleramtes begehrt, die sich im Besitz privater Stiftungen befinden, ist mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung der Zugänglichmachung durch das Bundesarchiv gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Da die Akten nie an das Bundesarchiv gelangt seien, hätte sich die Beschwerdeführerin zunächst an das Bundeskanzleramt wenden und gegebenenfalls diesem gegenüber den Rechtsweg erschöpfen müssen. Denn wichtige einfachrechtliche Fragen des Informationszugangsrechts seien bislang ungeklärt (Beschluss vom 20.06.2017, Az.: 1 BvR 1978/13).

Journalistin will im Besitz privater Stiftungen befindliche Akten des Bundeskanzleramtes einsehen

Die Beschwerdeführerin ist Journalistin und Historikerin. Sie befasste sich mit den von der Bundesrepublik Deutschland an Israel geleisteten finanziellen Wiedergutmachungen und der geheim vereinbarten Aktion "Geschäftsfreund", in deren Rahmen in der Zeit von 1961 bis 1965 insgesamt 630 Millionen DM gezahlt worden sein sollen. Das hierzu verwendete Steuergeld soll ohne parlamentarische Legitimation und Kabinettsbeschluss ausgezahlt worden sein. Im Rahmen ihrer Recherchen gelangte die Beschwerdeführerin zu der Auffassung, dass hierzu Akten der Bundesregierung existieren, die vom Bundeskanzleramt für die Bundesregierung geführt worden waren. Diese teilweise als Verschlusssachen gekennzeichneten Akten sollen in den Besitz zweier privater Stiftungen gelangt sein. Die Beschwerdeführerin wandte sich an beide Einrichtungen mit der Bitte um Einsichtnahme. Beide Institutionen lehnten dies jedoch ab.

Klage gegen Bundesarchiv auf Informationszugang ohne Erfolg

Die Beschwerdeführerin wandte sich anschließend an das Bundesarchiv mit dem Antrag, die amtlichen Unterlagen bereitzustellen und der Beschwerdeführerin Einsicht in diese zu gewähren. Der Präsident des Bundesarchivs teilte ihr mit, dass das Bundesarchiv nur solche Unterlagen bereitstellen könne, die bei ihm lagerten, und dies bei den von ihr begehrten Unterlagen nicht der Fall sei. Die Beschwerdeführerin verfolgte ihr Begehren gegenüber dem Bundesarchiv weiter und erhob Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland mit dem Antrag, die Bundesrepublik zu verpflichten, sämtliche amtlichen Unterlagen bereitzustellen und ihr die Erlaubnis zur Einsichtnahme zu erteilen. Die Klage blieb vor Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht ohne Erfolg. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesverwaltungsgericht zurück. Mit ihrer gegen die verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gerichteten Verfassungsbeschwerde rügte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen eine Verletzung der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 2 GG).

BVerfG: Beschwerdeführerin hätte zunächst Informationszugang von Bundeskanzleramt verlangen müssen

Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde als unzulässig verworfen. Sie genüge nicht den Anforderungen an den Subsidiaritätsgrundsatz (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Die Beschwerdeführerin habe es versäumt, zur Durchsetzung des von ihr begehrten Informationszugangs nach § 1 Abs. 1 Satz 1 IFG zunächst einen Antrag an das Bundeskanzleramt zu stellen, in dessen Zuständigkeit die Akten geführt worden seien. Ein solcher Antrag sei nicht deshalb entbehrlich, weil die Beschwerdeführerin stattdessen einen Antrag an das Bundesarchiv gestellt hat. Die Akten hätten dem Bundesarchiv nie vorgelegen und seien nicht zu Archivgut geworden. Ein entsprechender Antrag habe sich auch nicht durch das nachfolgende Klageverfahren erübrigt. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sei allein der Antrag an das Bundesarchiv und dessen Verpflichtung gewesen, die begehrten Unterlagen zugänglich zu machen.

Anspruch auf Wiederbeschaffung staatlicher Akten ungeklärt

Eine Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde vor Erschöpfung des Rechtswegs nach § 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG kommt laut BVerfG nicht in Betracht, da in Bezug auf die Reichweite des Informationszugangsanspruchs (§ 1 Abs. 1 Satz 1 IFG) wichtige einfachrechtliche Fragen noch nicht geklärt seien. Das Informationsfreiheitsgesetz regle nicht ausdrücklich, ob ein Zugang auch zu Akten eröffnet sein soll, die sich nicht unmittelbar bei der Behörde selbst, sondern bei einer privaten Stiftung befinden. Zwar ergebe sich aus dem Gesetz, dass es keinen allgemeinen Beschaffungsanspruch von Akten begründet, die nicht in den Bestand der Behörden gelangt sind. Ungeklärt sei aber, ob das auch für die Frage der Wiederbeschaffung von Akten gilt, die bei der Behörde angefallen waren und dann in den Gewahrsam Privater gelangt sind.

Wiederbeschaffungspflicht nicht von vornherein ausgeschlossen

Ob das Informationsfreiheitsgesetz in solchen Fällen einen Informationszugang gewährt, ist laut BVerfG nicht von vornherein ausgeschlossen und bedarf fachgerichtlicher Klärung. Das Informationsfreiheitsgesetz ordne für bestimmte Konstellationen selbst an, dass auch den Behörden nicht unmittelbar selbst vorliegende Informationen einbezogen werden. Auch werde eine Pflicht zur Wiederbeschaffung von Akten in Literatur und Fachrechtsprechung etwa dann anerkannt, wenn die informationspflichtige Stelle Unterlagen an Dritte ausgeliehen hat oder wenn die informationspflichtige Stelle sie in Kenntnis eines geltend gemachten Informationsbegehrens aus der Hand gibt. Eine Wiederbeschaffungspflicht liege damit nicht von vornherein außerhalb des gesetzlichen Rahmens.

Gleichheitssatz bei Auslegung zu berücksichtigen

Das BVerfG sieht für die Auslegung des § 1 Abs. 1 IFG auch Klärungsbedarf mit Blick auf Art. 3 GG. Denn bei den von der Beschwerdeführerin begehrten Informationen solle es sich um Dokumente handeln, die im Rahmen staatlicher Aufgabenwahrnehmung angelegt und als Akten des Bundeskanzleramts geführt worden seien. Durch die Übergabe an private Einrichtungen hätten diese Dokumente dann den Charakter amtlicher Unterlagen nicht verloren und könnten diese jedenfalls dem Grundsatz nach herausfordert werden. Durch die Entscheidung, eine Akte von einer privaten Einrichtung herauszufordern oder nicht, bestimme der Bund im Ergebnis darüber mit, wer Zugang zu den Akten erhalten könne und wer nicht. Der Bund sei hierbei durch Art. 3 GG gebunden. Dem sei auch bei der Auslegung des § 1 Abs. 1 IFG Rechnung zu tragen. Es bedürfe insoweit einer Auslegung, die für den Zugang zu den Informationen weder eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen den verschiedenen Zugangsinteressierten untereinander begründe, noch zwischen den Zugangsinteressierten und der jeweiligen privaten Einrichtung, an die die Informationen gelangt seien.

Bei Eröffnung des Informationszugangs weitere Anspruchsvoraussetzungen im Lichte der Informationsfreiheit auszulegen

Wenn § 1 Abs. 1 IFG nach fachgerichtlicher Auslegung den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruch auf Zugangsverschaffung zu den begehrten Informationen decke, stehe dieser Informationszugang unter dem Schutz der Informationsfreiheit, so das BVerfG weiter. Dann bedürfe es für die nähere Bestimmung dieses Anspruchs einer Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes im Lichte der grundrechtlich gewährleisteten Informationsfreiheit. Dabei sei der Bedeutung der allgemeinen Zugänglichkeit der Quellen das ihr für die Freiheitswahrnehmung des Einzelnen wie für die Kommunikation im demokratischen Verfassungsstaat zukommende Gewicht beizumessen und mit entgegenstehenden Belangen in einen vertretbaren Ausgleich zu bringen.

BVerfG, Beschluss vom 20.06.2017 - 1 BvR 1978/13

Redaktion beck-aktuell, 12. Juli 2017.