BFH-Vorlage zu Solidaritätszuschlag auf Körperschaftsteuerguthaben unzulässig

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Vorlage des Bundesfinanzhofs zu § 3 SolZG 1995 n. F. im Zusammenhang mit Körperschaftsteuerguthaben mangels ausreichender Begründung für unzulässig erklärt. Der BFH hatte es für verfassungswidrig erachtet, dass weder die Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben vorgesehen sei noch das ratierlich zu erstattende Körperschaftsteuerguthaben die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag mindere.

Wechsel vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 n. F. bemisst sich der Solidaritätszuschlag - soweit eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer vorzunehmen ist - nach der festgesetzten Körperschaftsteuer, wenn ein positiver Betrag verbleibt. Die Vorlage steht im Zusammenhang mit dem im Jahr 2001 vollzogenen Wechsel im System der Ertragsbesteuerung der Körperschaften vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren. Seit 2001 wird auf der Ebene der Gesellschaft für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne anders als zuvor nur noch eine einheitliche und endgültige Körperschaftsteuer in Höhe von 25% (seit 2008 in Höhe von 15%) erhoben. Auf der Ebene des Anteilseigners wird der ausgeschüttete Kapitalertrag nur zur Hälfte (seit 2009 zu 60%) versteuert.

Rückzahlung von Körperschaftsteuerguthaben minderte zunächst Solidaritätszuschlag

Der Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren gestaltete sich so, dass auf der Grundlage des Körperschaftsteuerminderungspotentials, das sich beim Anrechnungsverfahren aus der Differenz zwischen Thesaurierungs- und Ausschüttungssteuersatz ergab, ein Körperschaftsteuerguthaben ermittelt wurde, das sich im Übergangszeitraum jeweils um ein 1/6 der offenen Gewinnausschüttungen bis zum Verbrauch des Körperschaftsteuerguthabens mindern sollte. Der jeweilige Minderungsbetrag wurde an die Gesellschaft per Verrechnung mit zu zahlender Körperschaftsteuer oder durch Erstattung ausgekehrt. Bei einer Verrechnung mit zu zahlender Körperschaftsteuer verringerte sich gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 n. F. zugleich die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag. Im Erstattungsfall wirkte sich die Körperschaftsteuererstattung wegen des Begrenzungsvorbehalts des § 3 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 SolZG 1995 ("wenn ein positiver Betrag verbleibt") hingegen nicht auch auf den Solidaritätszuschlag aus.

Wechsel zu ausschüttungsabhängiger Auskehrung des Körperschaftsteuerguthabens

2006 wurde das System des Körperschaftsteuerguthabens umgestellt, wobei an die Stelle der ausschüttungsabhängigen Auskehrung des Körperschaftsteuerguthabens eine von Gewinnausschüttungen unabhängige ratierliche Auszahlung des restlichen Guthabens trat. Die Klägerin des Ausgangsverfahrens beantragte beim Finanzamt zusätzlich zu der Festsetzung des Anspruchs auf Auszahlung des Körperschaftsteuerguthabens erfolglos die gesonderte Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines entsprechenden Solidaritätszuschlagguthabens. Die Sprungklage vor dem Finanzgericht Köln blieb ohne Erfolg. Der BFH hielt § 3 SolZG 1995 n. F. für mit dem Grundgesetz unvereinbar, da weder die Festsetzung eines Anspruchs auf Auszahlung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben vorgesehen sei noch das ratierlich zu erstattende Körperschaftsteuerguthaben die Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag mindere. Es würden diejenigen Steuerpflichtigen ungerechtfertigt benachteiligt, die im Vertrauen auf die ursprüngliche Regelung davon abgesehen hätten, durch Gewinnausschüttungen ihr Körperschaftsteuerguthaben mit mindernder Wirkung für den Solidaritätszuschlag anzufordern.

BVerfG: BFH hätte sich mit Zulässigkeit der "Guthabenlösung" befassen müssen

Das BVerfG hat die Vorlage mangels ausreichender Begründung für unzulässig erachtet. Der BFH habe § 3 SolZG 1995 n.F. vertretbar dahin ausgelegt, dass die Vorschrift die Festsetzung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben ausschließt. Er habe es aber versäumt, sich mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit dieser vom Kläger begehrten "Guthabenlösung" auseinanderzusetzen, und damit die Entscheidungserheblichkeit der Regelung nicht ausreichend dargelegt. Laut BVerfG konnte eine Definitivbelastung von Körperschaften mit Solidaritätszuschlag bereits sowohl unter Geltung des Anrechnungsverfahrens als auch während der Übergangsphase zum Halbeinkünfteverfahren unter der Geltung des Steuersenkungsgesetzes und des Steuervergünstigungsabbaugesetzes eintreten. Deshalb liege die Frage auf der Hand, ob mit der Guthabenlösung, die jegliche Definitivbelastung mit Solidaritätszuschlag im Zusammenhang mit dem ratierlich auszuzahlenden Körperschaftsteuerguthaben ausschließe, nicht (erneut) eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der verschiedenen Gruppen von Steuerpflichtigen eintreten würde, die aufgrund des früheren Anrechnungsverfahrens über Körperschaftsteuerminderungspotential beziehungsweise während der Übergangsphase über ein Körperschaftsteuerguthaben verfügten oder verfügt hätten.

Unmöglichkeit verfassungskonformer Auslegung nicht genügend begründet

Auch habe der BFH nicht ausreichend dargelegt, dass eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 n. F. unmöglich sei. Die Annahme des BFH, dem Gesetzgeber könne bei der Umstellung auf eine ausschüttungsabhängige Auskehrung des Körperschaftsteuerguthabens nicht verborgen geblieben sein, dass die Festsetzung und ratierliche Auszahlung eines Körperschaftsteuerguthabens keine Auswirkungen auf den Solidaritätszuschlag mehr hat, lasse nicht den Schluss zu, dass die gesonderte Festsetzung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben oder eine Berücksichtigung des ratierlich auszuzahlenden Körperschaftsteuerguthabens für die Bemessungsgrundlage des Solidaritätszuschlags dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers bei der Umstellung widerspräche. Mit der Umstellung habe der Gesetzgeber zum einen das bisherige System der ausschüttungsabhängigen Gutschrift des Körperschaftsteuerguthabens vereinfachen und die Administrierbarkeit erleichtern, zum anderen die Kalkulierbarkeit der Einnahmen für die öffentlichen Haushalte verbessern wollen. Dass das eine oder das andere Ziel durch die gesonderte Festsetzung eines Solidaritätszuschlagguthabens auf das Körperschaftsteuerguthaben oder durch eine Berücksichtigung der jährlichen Auszahlungsrate bei der Bemessungsgrundlage für den Solidaritätszuschlag im Veranlagungsverfahren konterkariert worden wäre, lege der BFH nicht dar. Dieser habe es ferner unterlassen, sich näher mit der Frage zu befassen, ob Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Gesamtzusammenhang sowie Sinn und Zweck der einschlägigen Regelungen eine verfassungskonforme Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 SolZG 1995 n. F. ausschließen.

BVerfG, Beschluss vom 27.10.2021 - 2 BvL 12/11

Redaktion beck-aktuell, 26. November 2021.