BGH ruft EuGH an: Haftet YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch Video-Uploads Dritter?

Haftet der Betreiber der Internetvideoplattform YouTube für Urheberrechtsverletzungen durch Video-Uploads der Nutzer? Dies möchte der Bundesgerichtshof wissen und hat dazu dem Europäischen Gerichtshof mehrere Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt. Unter anderem soll der EuGH klären, ob YouTube durch die Veröffentlichung urheberechtsverletzender Videos eine Wiedergabe im Sinn von Art. 3 Abs. 1 der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG vornimmt und ob das in der E-Commerce-Richtlinie vorgesehene Hostproviderprivileg auf YouTube anwendbar ist (Beschluss vom 13.09.2018, Az.: I ZR 140/15).

Musikproduzent verklagt YouTube

Kläger ist der Musikproduzent Frank Peterson, der mit der Sängerin Sarah Brightman im Jahr 1996 einen Künstlerexklusivvertrag geschlossen hat, der ihn zur Auswertung von Aufnahmen ihrer Darbietungen berechtigt. Im November 2008 erschien das Studioalbum "A Winter Symphony" mit von der Sängerin interpretierten Musikwerken. Zugleich begann die Künstlerin die Konzerttournee "Symphony Tour", auf der sie die aufgenommenen Werke darbot. Der Kläger behauptet, er habe dieses Album produziert. Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC, betreibt die Internetplattform "YouTube", auf die Nutzer kostenlos audiovisuelle Beiträge einstellen und anderen Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google Inc., ist alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 3.

Urheberechtsverletzende Videos bei YouTube eingestellt

Anfang November 2008 waren bei "YouTube" Videos mit Musikwerken aus dem Repertoire von Sarah Brightman eingestellt worden, darunter private Konzertmitschnitte und Musikwerke aus ihren Alben. Der Kläger wandte sich mit anwaltlichem Schreiben an eine Schwestergesellschaft der Beklagten zu 3, mit dem er die Schwestergesellschaft und die Beklagte zu 1 aufforderte, strafbewehrte Erklärungen abzugeben, es zukünftig zu unterlassen, Tonaufnahmen oder Musikwerke aus seinem Repertoire zu vervielfältigen oder öffentlich zugänglich zu machen. Die Schwestergesellschaft leitete das Schreiben an die Beklagte zu 3 weiter. Diese sperrte jedenfalls einen Teil der Videos. Am 19.11.2008 waren bei "YouTube" jedoch erneut entsprechende Videos abrufbar.

OLG verurteilte YouTube teilweise zu Unterlassung und Auskunft

Der Kläger hat die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch genommen. Das Landgericht gab der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel statt und wies sie im Übrigen ab. Das Berufungsgericht verurteilte die Beklagten, es zu unterlassen, Dritten in Bezug auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder Darbietungen der Künstlerin Sarah Brightman aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" öffentlich zugänglich zu machen. Ferner verurteilte es die Beklagten zur Erteilung der begehrten Auskunft über die Nutzer der Plattform, die diese Musiktitel unter Pseudonymen auf das Internetportal hochgeladen haben. Im Übrigen wies es die Klage ab. Dagegen legte der Kläger Revision ein, mit der er seine Klageanträge weiter verfolgt. Die Beklagten legten ebenfalls Revision ein und erstreben die vollständige Abweisung der Klage.

BGH: Öffentliche Wiedergabe der eingestellten Werke durch YouTube?

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH mehrere Fragen zur Auslegung der Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG, der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehrs und der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgelegt. Nach seiner Ansicht stellt sich die Frage, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vornimmt, wenn
- er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt, der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,
- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwirken können,
- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen lässt,
sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt.

Hostproviderprivileg in Art. 14 Abs. 1 der E-Commerce-Richtlinie auf YouTube anwendbar?

Außerdem möchte der BGH wissen, ob die Tätigkeit des Betreibers einer solchen Internetvideoplattform in den Anwendungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt und ob sich die in dieser Vorschrift genannte tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen muss.

Gerichtliche Anordnung erst im Wiederholungsfall richtlinienkonform?

Weiter fragt der BGH danach, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist.

Haftet YouTube als Verletzer im Sinn der Richtlinie 2004/48/EG?

Für den Fall, dass der EuGH die vorgenannten Fragen verneinen sollte, möchte der BGH schließlich wissen, ob der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in der ersten Frage beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinn von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist und ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete Rechtsverletzungen nutzen. 

EU reformiert Urheberrecht

Entschieden wird der Fall nach der heutigen Rechtslage. In der EU wird allerdings gerade das Urheberrecht reformiert. Der am 12.09.2018 vom Europaparlament angenommene Vorschlag sieht vor, dass Plattformen künftig generell für die von ihren Nutzern eingestellten Inhalte haften. Upload-Filter, die sämtliche Bilder, Videos oder Musik direkt beim Hochladen überprüfen, sollen zwar nicht vorgeschrieben sein. Experten gehen aber davon aus, dass daran dann kein Weg vorbei führt. 

YouTube arbeitet mit eigener Software an Urheberschutz auf der Plattform

YouTube versteht sich als technische Plattform. Die Nutzer sind aufgerufen, die Urheberrechte zu respektieren. Unberechtigterweise eingestellte Dateien werden gesperrt, wenn jemand den Verstoß meldet. Musikkonzerne und Plattenfirmen können ihre Produktionen zugleich in Kooperation mit YouTube schützen. Findet die hauseigene Software "Content ID" Elemente aus geschützten Werken auf der Plattform, entscheidet der Rechteinhaber, ob das Video oder der Ton gelöscht werden soll oder er an Werbeeinnahmen mitverdienen will. Mit der Verwertungsgesellschaft Gema gibt es nach jahrelangem Rechtsstreit seit 2016 eine Lizenzvereinbarung. Wegen dieser Einigung hatte der BGH in diesem Fall damals nicht mehr entschieden.

BGH, Urteil vom 13.09.2018 - I ZR 140/15

Redaktion beck-aktuell, 13. September 2018.