Wiedereinsetzung bei fehlendem Wissen des Angeklagten um technische Probleme

Die formelle Rechtskraft eines Strafurteils nach Verwerfung der Revision als unzulässig steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen. Der Bundesgerichtshof konnte insoweit einem Angeklagten helfen, dessen Pflichtverteidiger sich noch im Januar 2023 hinsichtlich grundsätzlicher Fragen der beA-Benutzung im Unklaren befand.

Aufklärung durch die Rechtsanwaltskammer

Ein Mann war vom Landgericht Darmstadt wegen besonders schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden. Gegen das Urteil vom 20.12.2021 legte sein Pflichtverteidiger direkt zwei Tage später Revision ein. Die Begründung folgte im Mai 2022 – per Fax. Der Anwalt legte dar, er habe sich bislang "technisch gerüstet gewähnt", da er einen Kartenleser und eine Chipkarte besitze, aber die "Aufrüstung" auf eine qualifizierte elektronische Signatur sei gescheitert. Deshalb habe er die Revisionsbegründung nicht per beA einreichen können. Der 2. Strafsenat verwarf die Revision nach erfolglosem Hinweis auf die Unzulässigkeit mit Beschluss am 07.12.2022 (BeckRS 2022, 37876). Ein Antrag auf Wiedereinsetzung sei nicht gestellt worden. Daher komme auch eine Gewährung von Amts wegen nicht in Betracht. Den dann doch am 19.01.2023 gestellten Wiedereinsetzungsantrag begründete der Pflichtverteidiger damit, dass ihm erst durch eine Auskunft der Rechtsanwaltskammer Koblenz per E-Mail vom 05.01.2023 klar geworden sei, dass die einfache Signatur ausreiche. Von den technischen Problemen habe sein Mandant nichts gewusst. Am 10.02.2023 beantragten auch zwei neue Wahlverteidiger für den Angeklagten Wiedereinsetzung. Der von den Wahlverteidigern für den Angeklagten gestellte Antrag war erfolgreich.

Formelle Rechtskraft kein Hindernis

Die Karlsruher Richter weisen darauf hin, dass die durch die Verwerfung eingetretene formelle Rechtskraft des Urteils kein Hindernis dafür ist, sich inhaltlich mit der Sache zu beschäftigen (vgl. BGH NJW 1973, 521). Der Wegfall der Rechtskraft hindere die Vollstreckung. Dem Angeklagten könne man keinen Vorwurf hinsichtlich der verpassten Frist machen. Nach eigenen Angaben habe er erst am 03.02.2023 durch den Verwerfungsbeschluss von der Problematik erfahren. Dies decke sich mit den Angaben des beigeordneten Anwalts, der ihn nach seinen Angaben nicht von seiner unzureichenden technischen Ausstattung unterrichtet hatte.

BGH, Beschluss vom 02.03.2023 - 2 StR 140/22

Redaktion beck-aktuell, 28. März 2023.