Verbandsklagebefugnis bei überwiegend passiven Mitgliedern

Der Umstand, dass nur 43 von derzeit etwa 2.750 Mitgliedern eines Wettbewerbsverbands aktive Mitglieder mit Stimmrecht sind, spricht nicht gegen dessen Klagebefugnis. Laut Bundesgerichtshof kommt es grundsätzlich nicht darauf an, über welche mitgliedschaftlichen Rechte die Beteiligten verfügen. Die Stimmberechtigung sei nur bei Anhaltspunkten für ein künstliches Verschaffen der Klagebefugnis zu hinterfragen.

Nur 43 aktive Mitglieder

Ein Verband verklagte einen Online-Anbieter aus dem Bereich Tierfachhandel es zu unterlassen, in einer Werbeanzeige für Katzenfutter in Fertigpackungen neben dem Gesamtpreis keinen Grundpreis im Sinne der Preisangabenverordnung (PAngV)  anzugeben. Ausweislich der Satzung hatte der Verband als Vereinszweck die umfassende Förderung insbesondere der rechtlichen und wirtschaftlichen Interessen deutscher Online-Unternehmer und Online-Freiberufler. Eigenen Angaben zufolge gehörten ihm circa 2.750 Mitglieder an, von denen aktuell 43 (darunter 13 Rechtsanwälte) aktive Mitglieder seien. Bei dem Rest handele es sich um passive Mitglieder. Die aktive Mitgliedschaft war mit einem höheren Mitgliedsbeitrag verbunden. Der Beklagte wandte ein, dem Kläger fehle bereits die notwendige Aktivlegitimation. 

OLG verneinte Prozessführungsbefugnis

Während das LG Krefeld der Unterlassungsklage stattgab, scheiterte sie beim OLG Düsseldorf. Ungeachtet des Verstoßes der Beklagten gegen § 2 Abs. 1 PAngV a.F. bzw. § 4 Abs. 1 1 PAngV fehle dem Kläger bereits die Verbandsklagebefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. Im Hinblick auf dessen Mitgliederstruktur könne nicht angenommen werden, dass er imstande sei, die Mitgliederinteressen tatsächlich wahrzunehmen. 43 aktiven Mitgliedern stünden mehr als 2.700 passive Mitglieder gegenüber. Der deutlich höhere Mitgliedsbeitrag, den aktive Mitglieder zu entrichten haben, bilde eine Hürde für die anderen, sich in relevanter Form an der Willensbildung des Verbands zu beteiligen. Dagegen legte der Kläger die Revision beim BGH ein – mit Erfolg.

Mitgliederstruktur steht Klagebefugnis nicht entgegen

Das OLG hat dem Verband laut dem I. Zivilsenat zu Unrecht die Prozessführungsbefugnis nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG a.F. abgesprochen. Entgegen dessen Ansicht stehe die Mitgliederstruktur der Klagebefugnis nicht entgegen. Grundsätzlich sei nicht entscheidend, über welche Rechte – mittelbare oder unmittelbare – Verbandsangehörige verfügten. Für die Annahme, der Kläger wolle mit seiner Struktur lediglich künstlich die Voraussetzungen für seine Verbandsklagebefugnis schaffen, es gehe ihm mithin nicht darum, gemeinsame Interessen am Schutz des lauteren Wettbewerbs zu bündeln, bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte. Der Umstand, dass nur 43 von derzeit etwa 2.750 Mitgliedern des Klägers aktive Mitglieder mit Stimmrecht sind, spreche nicht gegen seine Klagebefugnis. Den passiven Mitgliedern stünde grundsätzlich die aktive Mitgliedschaft offen. Sie verfügten unter anderem über sämtliche Mitgliedsrechte der aktiven Mitglieder und hätten deshalb die Möglichkeit, im Rahmen von Ausschüssen und durch Anregungen gestaltend auf die Tätigkeit des Klägers Einfluss zu nehmen. Die Klage sei zudem nicht rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger stehe deshalb der Unterlassungsanspruch nach §§ 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 5a Abs. 2 S. 1, Abs. 4 UWG a.F. zu.

BGH, Urteil vom 26.01.2023 - I ZR 111/22

Redaktion beck-aktuell, 28. März 2023.