BGH: «Rückzahlung der Rückzahlung» eines Gesellschafterdarlehens

InsO §§ 129 I, 135 I 2

Die in der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens liegende Gläubigerbenachteiligung wird nicht beseitigt, indem der Gesellschafter die empfangenen Darlehensmittel zwecks Erfüllung einer von ihm übernommenen Kommanditeinlagepflicht an die Muttergesellschaft der Schuldnerin weiterleitet, welche der Schuldnerin anschließend Gelder in gleicher Höhe auf der Grundlage einer von ihr übernommenen Verlustdeckungspflicht zur Verfügung stellt. (Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 02.05.2019 - IX ZR 67/18 (OLG München), BeckRS 2019, 9842

Anmerkung von
Rechtsanwalt Dr. Peter de Bra, Schultze & Braun GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft

Aus beck-fachdienst Insolvenzrecht 13/2019 vom 21.06.2019

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Sachverhalt

Der klagende Insolvenzverwalter nimmt den Beklagten auf Rückgewähr eines durch die jetzige Insolvenzschuldnerin an den Beklagten zurückgezahlten Gesellschafterdarlehens gem. § 135 I 2 InsO in Anspruch. Der Beklagte war Geschäftsführer der Schuldnerin sowie alleiniger Kommanditist der Muttergesellschaft der Schuldnerin. Er hatte der Schuldnerin ein Darlehen iHv 100.000 EUR gewährt, das diese in einem Zeitraum von weniger als einem Jahr vor Insolvenzantragstellung an ihn zurückzahlte. Mit den erhaltenen Mitteln entrichtete der Beklagte am gleichen Tage eine Kommanditeinlage an die Muttergesellschaft, die ihrerseits unmittelbar nachfolgend eine Zahlung aus Verlustausgleichsverpflichtung über 100.000 EUR an die Schuldnerin erbrachte. Nachdem die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, führte die durch den Senat zugelassene Revision zur antragsgemäßen Verurteilung.

Entscheidung: Zurückgeführter Darlehensbetrag muss der Schuldnerin wieder zur Verfügung gestellt werden

Der Senat hält zunächst fest, dass der Beklagte zwar nicht unmittelbar Gesellschafter der Schuldnerin war, er als “Gesellschafter-Gesellschafter”, der aufgrund einer qualifizierten Anteilsmehrheit einen beherrschenden Einfluss auf den Gesellschafter ausüben könne, einem solchen gemäß der Regelung des §§ 39 I 5, 135 I InsO jedoch gleichzustellen sei. Auch die sonstigen Anfechtungsvoraussetzungen lägen vor. Das Gesellschafterdarlehen sei innerhalb einer Ein-Jahres-Frist vor Insolvenzantragstellung zurückgezahlt worden. Auch eine Gläubigerbenachteiligung iSd § 129 I InsO durch die Rückzahlung des Darlehens an den Beklagten läge vor. Zwar könne eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung nachträglich wieder dadurch behoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführe. Eine solche Rückführung müsse jedoch eindeutig zu dem Zweck erfolgen, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Im vorliegenden Falle habe der Beklagte jedoch den an ihn zurückgeführten Darlehensbetrag nicht erneut der Schuldnerin zur Verfügung gestellt. Vielmehr habe er diesen Betrag zum Zwecke der Tilgung seiner Kommanditeinlageschuld deren Muttergesellschaft zugewendet. Auch die nachfolgende Zahlung der Muttergesellschaft an die Schuldnerin habe nicht zu einer Rückgängigmachung der Gläubigerbenachteiligung geführt, da die Muttergesellschaft nicht auf Weisung des Beklagten tätig wurde und zudem mit der Zahlung eine eigene Verbindlichkeit aus Verlustdeckungshaftung getilgt habe. Damit sei der geltend gemachte Anfechtungsanspruch begründet.

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt erneut, dass es gefährlich ist, bei Insolvenzgefahr zur Finanzierung der Gesellschaft überhastete Entscheidungen zu treffen. Der Verdacht besteht, dass der Beklagte die nur sehr kurzfristige – über gut zwei Wochen währende und wohl spontan bewirkte – Finanzierung der Schuldnerin durch Darlehen aus steuerlichen Erwägungen dann umzugestalten versucht hat. Dabei hätte es wohl selbst nach Darlehensgewährung eine jedenfalls zivilrechtlich bessere Lösung für das Schlagen mehrerer Fliegen mit einer Klappe (Nutzung ein und desselben Betrages zur Tilgung der Kommanditeinlage des Beklagten bei der Gesellschafterin und Erfüllung der Verlustdeckungsverpflichtung der Gesellschafterin) gegeben: Wenn nämlich der Beklagte einfach auf seine Forderung gegenüber der Schuldnerin verzichtet hätte, hätte dies den von der Gesellschafterin zu deckenden Verlust der Schuldnerin entsprechend reduziert, sodass diese auch nur in entsprechend reduziertem Umfang an die Schuldnerin hätte leisten müssen. Da der Beklagte die Gesellschafterin somit vollwertig von einer entsprechenden Verlustdeckungsverpflichtung befreit hätte, hätte er diese Befreiung wohl auch im Wege der Sacheinlage auf seine Kommanditeinlageverpflichtung erbringen können. Es empfiehlt sich, in insolvenzgefährdeten Situationen – und nicht nur dann – ggf. nicht nur steuerliche, sondern auch rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen.

Redaktion beck-aktuell, 26. Juni 2019.