BGH: Niedrige Beweggründe bei Tötung des zur Trennung entschlossenen Intimpartners

StGB §§ 57a I Nr. 2, 64, 211 II; StPO § 349 II, IV

1. Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewendet hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden. Denn allein der Umstand, dass die Trennungsentscheidung des Partners stets hinzunehmen ist, ist nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.

2. Für die Beurteilung der Beweggründe als niedrig ist zwar nicht ohne jede, aber ohne entscheidende Bedeutung, ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat und ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war.

3. Der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, darf als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschluss vom 07.05.2019 - 1 StR 150/19, BeckRS 2019, 11784

Anmerkung von
Rechtsanwalt Thomas Malsy, Ignor & Partner GbR, Berlin

Aus beck-fachdienst Strafrecht 14/2019 vom 11.07.2019

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Sachverhalt

Das LG traf folgende Feststellungen: Die Ehefrau (E) des Angeklagten (A) teilte diesem mit, dass sie sich von ihm trennen wolle, weil er entgegen seinem Versprechen, keinen Alkohol mehr zu trinken und sich eine Arbeitsstelle zu suchen, wie seit vielen Jahren alkoholische Getränke konsumiert hatte und betrunken war. Er solle am nächsten Tag zurück in seine Heimat, Kroatien, kehren und dort eine Alkoholtherapie beginnen. Unter Drohungen verlangte A, in der Wohnung der E bleiben zu dürfen. Am frühen Morgen des Folgetages beharrte E trotz gegenläufiger Bitten des A auf ihrem Entschluss. Sodann machte sie sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle. Der verärgerte A steckte ein Messer ein und folgte der E, um letztmalig zu versuchen, sie umzustimmen, und E im Falle seines Scheiterns mit dem Messer zu töten. Nachdem er E auf dem Weg zur U-Bahn-Station eingeholt hatte, aber mit seinem Versuch gescheitert war, und E sich abgewandt hatte und weiterging, setzte A der E nach und stach sie von hinten vier Mal kraftvoll in den Rücken und im weiteren Verlauf noch mehrmals auf sie ein. Sie verstarb daraufhin an Verbluten. Das LG verurteilte A wegen Mordes und stellte die besondere Schwere der Schuld fest. Eine Unterbringung des A in einer Entziehungsanstalt ordnete es u.a. deshalb nicht an, weil A die Ausweisung konkret drohe und eine spätere Integration in Deutschland nicht zu erwarten sei.

Entscheidung

Die Revision hatte teilweisen Erfolg. Durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegne die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und die unterbliebene Anordnung der Unterbringung des A in einer Entziehungsanstalt. Das LG habe die besondere Schwere der Schuld des A insbesondere deshalb bejaht, weil es davon ausgegangen sei, A habe E nicht bloß heimtückisch, sondern auch aus niedrigen Beweggründen getötet. Indes sei die Annahme niedriger Beweggründe nicht rechtsfehlerfrei. Gerade der Umstand, dass eine Trennung vom Tatopfer ausgegangen sei, dürfe als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden. Die vom LG im Rahmen der Beurteilung, ob die Tötung der E auf niedrigen Beweggründen beruhe, berücksichtigten Umstände – nämlich ob A tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Ehe habe vertrauen dürfen, wie der Zustand der Beziehung gewesen sei, ob E sich aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen habe und ob A seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft sei – seien zwar nicht ohne jede, aber nicht von entscheidender Bedeutung. Die Trennungsentscheidung des Partners sei ohnehin stets hinzunehmen. Allein der Umstand, dass der Täter die Trennungsentscheidung seiner Partnerin hinzunehmen habe, insbesondere unter Berücksichtigung seines Vorverhaltens und des Zustands der Beziehung, sei hingegen nicht geeignet, die Tötung des Partners als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen. Entgegen dieses rechtlichen Maßstabs habe das LG ein Handeln aus niedrigen Beweggründen maßgeblich deshalb angenommen, weil A wegen seines Verhaltens die Zerrüttung der Ehe allein zu verantworten und die Trennungsentscheidung hinzunehmen habe. Die Entscheidung über die Unterbringung des A in einer Entziehungsanstalt sei rechtsfehlerhaft begründet, weil es an Feststellungen dazu fehle, dass A vollziehbar ausreisepflichtig sei.

Praxishinweis

Die Entscheidung entspricht der st. Rspr. des BGH. In einer älteren Entscheidung hatte der BGH – quasi weiter erläuternd – ausgeführt, „dass tatauslösend und tatbestimmend auch Gefühle der Verzweiflung und der inneren Ausweglosigkeit sein [können], die eine Bewertung als ‚niedrig' namentlich dann fraglich erscheinen lassen können, wenn (...) die Trennung von dem Tatopfer ausgegangen ist und der Täter durch die Tat sich dessen beraubt, was er eigentlich nicht verlieren will" (BeckRS 2003, 06066). Ganz anders liest sich eine Entscheidung des LG Bielefeld (BeckRS 2010, 13929), das niedrige Beweggründe bei einer Trennungstötung bejahte: „Der Tatbegehung zugrunde lag der Gedanke, sie daran zu hindern, ein Leben nach ihren Wünschen zu führen. Sie sollte ihren Willen, ihre Entscheidung, getrennt von ihm zu leben, nicht verwirklichen, nicht gegen ihn durchsetzen können. (...) . Er wollte ihr vorschreiben, wie sie zu leben hatte." Bereits diese Gegenüberstellung offenbart die Problematik des Mordmerkmals der niedrigen Beweggründe, ohne dass es eines weiteren Vergleichs der Rspr. zu sog. Ehrenmorden mit derjenigen zu Trennungstötungen bedarf. Bereits innerhalb der „Fallgruppe" der Trennungstötungen ist die rechtliche Bewertung im Hinblick auf niedrige Beweggründe ein Prozess mit offenem Ausgang.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juli 2019.