Niederländische Versandapotheke durfte mit Prämien locken

Seit Jahren wird durch die Instanzen darüber gestritten, ob ausländische Online-Apotheken ihren deutschen Kunden Bonusprämien beim Kauf rezeptpflichtiger Medikamente gewähren dürfen. Jetzt hat der BGH entschieden, allerdings über eine gesetzliche Regelung, die seit 2020 nicht mehr gilt.

Eine im EU-Ausland ansässige Versandapotheke durfte Kunden in Deutschland vor mehr als zehn Jahren Bonusprämien auf rezeptpflichtige Medikamente gewähren. Die bis Ende 2020 hierzulande geltenden Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung seien für Versandapotheken mit Sitz in anderen EU-Ländern nicht anzuwenden, entschied der BGH in Karlsruhe (Az. I ZR 74/24).

Der Bayerische Apothekerverband hatte gegen die Versandapotheke Tanimis Pharma aus den Niederlanden geklagt, die vor mehr als zehn Jahren auch deutschen Kundinnen und Kunden Bonusprämien beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente versprach. Dabei handelt es sich um eine Tochter von DocMorris, die inzwischen im Unternehmen integriert ist. Beim Einlösen eines Rezepts erhielt jeder Kunde einen Bonus von 3 Euro pro Medikament, höchstens aber 9 Euro pro Rezept.

Der Bayerische Apothekerverband sah darin einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und die Arzneimittelpreisbindung - und klagte. Die Gerichte waren bisher auf der Seite des Bayerischen Apothekenverbandes: In den Vorinstanzen hatte die Klage Erfolg.

Für verschreibungspflichtige Medikamente ist die Preisbildung - anders als bei rezeptfreien - gesetzlich geregelt. Der Grundgedanke: Die betroffenen Arzneimittel sollen in jeder Apotheke zum gleichen Preis angeboten werden. Das solle die Apotheken vor ruinösem Wettbewerb und die Patienten vor einer Übervorteilung schützen, erklärte der Apothekerverband. Umstritten war seit Jahren, ob die Preisbindung auch für Versandapotheken im EU-Ausland gilt - oder ob das gegen den freien Warenverkehr der EU verstößt.

BGH folgt dem EuGH: Verstoß gegen Warenverkehrsfreiheit

Der EuGH entschied 2016 in einem wegweisenden Urteil, dass die Preisvorschriften des Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht für Apotheken mit Sitz in anderen EU-Mitgliedsstaaten gelten. Denn das würde den freien Warenverkehr einschränken und damit gegen EU-Recht verstoßen. Zwar könne eine Beschränkung des freien Warenverkehrs grundsätzlich mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens gerechtfertigt werden - doch die Preisbindung sei für diesen Zweck nicht geeignet. Das OLG München als Vorinstanz hatte der Klage des Apothekerverbands trotzdem stattgegeben (Urteil vom 07.03.2024 – 6 U 1509/14).

In Karlsruhe hatte nun jedoch die Versandapotheke Erfolg (Urteil vom 17.07.20205 - I ZR 74/24): Gemäß EuGH müssten "harte Fakten" für eine Rechtfertigung der Preisbindung vorliegen, urteilte der erste Zivilsenat. Der Kläger habe es aber nicht vermocht, Daten oder andere Mittel zum Beweis seiner Behauptung vorzutragen, dass ohne die Arzneimittelpreisbindung die Aufrechterhaltung einer sicheren und flächendeckenden Arzneimittelversorgung und deshalb die Gesundheit der Bevölkerung gefährdet sei, erläuterte der Vorsitzende Richter Thomas Koch.

Da die genannten früheren Regelungen zur Arzneimittelpreisbindung wegen Verstoßes gegen die Warenverkehrsfreiheit unionsrechtswidrig sind, können sie gegenüber der in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässigen Versandapotheke nicht mehr angewendet werden. Die damals gewährten Bonusprämien können nicht als unlauter verboten werden.

Der Streit geht weiter

Zur Umsetzung der EuGH-Entscheidung wurde im Jahr 2020 der Passus im AMG aufgehoben, demzufolge die Arzneimittelpreisverordnung auch für Arzneimittel galt, die im Wege des Versandhandels nach Deutschland kamen. Gleichzeitig gab es eine Änderung im SGB V, mit der Vor-Ort-Apotheken gestärkt werden sollten. Für gesetzlich Versicherte soll demnach der gleiche Preis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten - unabhängig davon, ob diese über eine Apotheke vor Ort oder eine EU-Versandapotheke bezogen werden.

Was das aber nun bedeutet, wird von den Parteien sehr unterschiedlich beurteilt: DocMorris teilte mit, auf Basis des BGH-Urteils Kunden bei Online-Bestellungen für alle Medikamente auf Rezept "ab sofort" wieder einen finanziellen Bonus zu gewähren. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) hingegen betonte, die Preisbindung sei nunmehr im SGB V gesetzlich festgelegt. Vorbehaltlich der Prüfung der schriftlichen Urteilsgründe gingen die Verbände davon aus, dass es dabei bleibe. "Arzneimittel sind keine schlichte Handelsware, sie sind höchst beratungsbedürftige Produkte mit umfangreichen Risikoprofilen - Rabatte und Boni gehören nicht in die Arzneimittel- und Gesundheitsversorgung", sagte ABDA-Präsident Thomas Preis laut Mitteilung.

"Sollte die Preisbindung bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in Zweifel gezogen werden, wäre die Politik gefordert, schnellstmöglich Lösungen mit uns zu erarbeiten", ergänzte Preis. Dann müssten die gesetzlichen Regelungen wohl überarbeitet werden. Auch könnte es sein, dass sich Gerichte mit der Frage befassen: In einem separaten Verfahren müsste geklärt werden, ob auch die aktuellen Regelungen gegen die vom EuGH vorgegebenen Kriterien verstoßen.

BGH, Urteil vom 17.07.2025 - I ZR 74/24

Redaktion beck-aktuell, kw, 17. Juli 2025 (ergänzt durch Material der dpa).

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