Freiwilliger Rücktritt nach Ende von psychischem Ausnahmezustand?

Bricht ein Täter seinen Angriff ab, nachdem es das Opfer geschafft hat, ihn aus einer psychischen Ausnahmelage herauszuholen, spricht dies nicht zwingend gegen die Freiwilligkeit seines Rücktritts. Zusätzlich muss feststehen, dass es ihm psychisch unmöglich gewesen wäre, die Tat zu vollenden, wie der Bundesgerichtshof betont hat.

Abgebrochene Eifersuchtstat

Ein Mann wollte nicht akzeptieren, dass sich seine Lebensgefährtin von ihm getrennt hatte. Er verfolgte und überwachte die Frau. Davon ließ er sich auch durch eine Gefährderansprache der Polizei nicht abhalten, nachdem zuvor ein Peilsender entdeckt worden war, den er an ihrem Wagen angebracht hatte. Eine Verfolgungsfahrt zum Arbeitsplatz ihres neuen Partners wurde von der Frau bemerkt. Sie zeigte ihrem Peiniger den Mittelfinger. Nach seiner Darstellung geriet er dadurch in einen Zustand "hochgradiger affektiver Erregung". Er rammte ihr Fahrzeug und schlug mit einer Machete derart auf den Wagen, dass der Griff der Waffe abbrach. Mit der Klinge in der Hand stach er dann mehrfach auf seine Ex-Partnerin ein, die vor allem an den Händen erheblich verletzt wurde. Der Mann brach den Angriff erst dann ab, als sie ihm zuschrie, dass er an ihren Sohn denken solle, den sie allein erzog und zu dem der Täter ein gutes Verhältnis hatte. Das LG Mosbach wertete dies unter anderem als versuchten Totschlag. Für einen strafbefreienden Rücktritt fehle es an der Freiwilligkeit: Durch die Schreie der Frau sei er aus seinem psychischen Ausnahmezustand "herausgerissen" worden und sei nicht mehr in der Lage gewesen, weiter zu handeln. Diese Begründung überzeugte den BGH nicht.

Psychisches Unvermögen?

Der 4. Strafsenat stimmte dem Landgericht insoweit zu, dass der Rücktritt nicht freiwillig war, falls der Täter tatsächlich innerlich nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Frau zu töten. Dieses Szenario sei aber bislang nicht belegt: Ein Herausholen aus dem psychischen Ausnahmezustand durch die Schreie spreche zunächst nur für ein Ende der Beeinflussung durch seine Wut. Ursache für den Abbruch der Tat könne auch Mitleid oder ein Wiedergewinnen der Steuerungsfähigkeit nach der Affektentladung gewesen sein – womit ein willensgesteuerter Rücktritt in Betracht komme. Eine eingehendere Prüfung war aus Sicht der Karlsruher Richter hier vor allem auch deswegen notwendig, da es Umstände gab, die gegen eine Affekttat sprachen (keine tiefgreifende Verzweiflung nach der Tat, planmäßige Beseitigung des Messers). 

BGH, Beschluss vom 14.02.2023 - 4 StR 442/22

Redaktion beck-aktuell, 14. März 2023.