BGH: Fiktive Umrüstungskosten für ein Taxi als Naturalrestitution

BGB §§ 249 I und II, 251 I und II

Wählt der Eigentümer eines durch einen Verkehrsunfall beschädigten Taxis den Weg der fiktiven Schadensabrechnung, sind, wenn ein Markt für die Ersatzbeschaffung eines Gebrauchtwagens mit Taxiausrüstung nicht existiert, die Umrüstung eines im Übrigen gleichwertigen Gebrauchtwagens zu einem Taxi jedoch mit verhältnismäßigem Aufwand möglich ist, die (fiktiven) Umrüstungskosten als zusätzlicher Rechnungsposten in die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts einzustellen und damit im Rahmen des Anspruchs des Geschädigten auf Naturalrestitution ersatzfähig. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

BGH, Urteil vom 23.05.2017 - VI ZR 9/17 (LG Wuppertal), BeckRS 2017, 114184

Anmerkung von
Rechtsanwalt Ottheinz Kääb, LL.M., Fachanwalt für Verkehrsrecht und für Versicherungsrecht,
Rechtsanwälte Kääb Bürner Kiener & Kollegen, München

Aus beck-fachdienst Straßenverkehrsrecht 13/2017 vom 06.07.2017

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Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines Taxi, Marke Mercedes Benz E 200. Dieses Fahrzeug wurde 1999 erstmals zum Verkehr zugelassen und hatte im August 2013 eine Gesamtbetriebsleistung von etwa 280.000 km, als sich der streitgegenständliche Unfall ereignete. Die volle Haftung der Beklagten für den Unfallschaden steht dem Grunde nach außer Streit.

Der Wiederbeschaffungswert beträgt brutto 2.800 EUR. Die Reparaturkosten betragen nach Gutachten rund 4.600 EUR und die Umbaukosten, bevor ein «normaler» Pkw als Taxi zugelassen werden kann, belaufen sich auf 1.835,08 EUR. Diese Kosten will der Kläger im Zuge fiktiver Ersatzbeschaffungskosten von der Beklagten haben. Im Febuar 2014 gab der Kläger sein Taxiunternehmen auf und veräußerte auch das Unfallfahrzeug.

Das Amtsgericht hatte die Klage bezüglich der Umrüstungskosten abgewiesen, die Berufungsinstanz die Klageabweisung bezüglich der Umbaukosten bestätigt. Der Kläger legte die zugelassene Revision ein und er hat mit dieser – vorläufigen – Erfolg. Der Senat hob das landgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an die Berufungsinstanz zurück.

Rechtliche Wertung

Das Landgericht hatte die Beachtung der fiktiven Umrüstungskosten abgelehnt, weil so die 130%-Regelung umgangen werden könne. Angesichts des Alters und der Laufzeit des klägerischen Fahrzeugs könnten die Umrüstungskosten den Wiederbeschaffungswert nicht erhöhen. Die Umrüstkosten seien vielmehr als abgeschrieben anzusehen.

Dieser Ansicht folgt der BGH nicht. Der Geschädigte könne grundsätzlich die Naturalrestitution dadurch erreichen, dass er sich die Kosten für die Reparatur erstatten lässt oder die Kosten verlangt, die für die Anschaffung eines gleichwertigen Fahrzeugs erforderlich sind. Auch die Anschaffung eines solchen Ersatzfahrzeugs sei eine Form der Naturalrestitution und der Geschädigte habe Dispositionsfreiheit, wozu er die Mittel verwende, die er vom Schädiger als Schadenausgleich erhalte.

Eine wirtschaftliche Gleichwertigkeit im Rahmen der subjektbezogenen Schadensbetrachtung sei allerdings nur gegeben, wenn das Ersatzfahrzeug das beschädigte Fahrzeug in seiner wirtschaftlich relevanten Funktion ersetzen könne. Danach wären die auf dem Gebrauchtwagenmarkt fiktiv zu zahlenden Mehrkosten für ein Fahrzeug mit Taxiausrüstung gegenüber einem vergleichbaren Fahrzeug ohne Taxiausrüstung ohne weiteres vom Wiederbeschaffungswert umfasst und damit ersatzfähig. In die Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts seien daher die erforderlichen Einbauten für den Betrieb von Fahrzeugen im Personenverkehr (BO-Kraft) einzustellen.

Da ein Gebrauchtwagenmarkt für Fahrzeuge ähnlich dem des Klägers nicht existiere, müssten die Umbaukosten daran gemessen werden, ob deren Herstellung unverhältnismäßige Aufwendungen erfordern würde und damit die Zumutbarkeitsschranke nach § 251 Abs. 2 Satz 1 BGB tangiert. Dies müsse ein Sachverständiger klären. Der Senat verweist nur vorsorglich darauf, dass durch die Aufgabe des Taxiunternehmens der klägerische Anspruch nicht scheitern könne. Wie der Geschädigte mit dem ihm zustehenden Geldbetrag verfahre, gehe den Schädiger nichts an.

Praxishinweis

Die Entscheidung beschäftigt sich intensiv mit der fiktiven Schadenabrechnung. Die Grenze der Unzumutbarkeit wird natürlich in festen Zahlen oder Prozentzahlen nur schwer zu ermitteln sein, jedoch ist die Richtung, die der BGH in diesem Urteil vorgibt, klar.

Redaktion beck-aktuell, 10. Juli 2017.