Tochter der Klägerin starb unter ungeklärten Umständen bei U-Bahn-Unglück
Die Klägerin ist die Mutter der im Alter von 15 Jahren verstorbenen L. W. und neben dem Vater Mitglied der Erbengemeinschaft nach ihrer Tochter. Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk Facebook, über dessen Infrastruktur die Nutzer miteinander über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können. 2011 registrierte sich die Tochter der Klägerin im Alter von 14 Jahren im Einverständnis ihrer Eltern bei dem sozialen Netzwerk der Beklagten und unterhielt dort ein Benutzerkonto. 2012 verstarb das Mädchen unter bisher ungeklärten Umständen infolge eines U-Bahn-Unglücks.
Mutter begehrt Zugang zu Benutzerkonto der verstorbenen Tochter
Die Klägerin versuchte hiernach, sich in das Benutzerkonto ihrer Tochter einzuloggen. Dies war ihr jedoch nicht möglich, weil die Beklagte es in den sogenannten Gedenkzustand versetzt hatte, womit ein Zugang auch mit den Nutzerdaten nicht mehr möglich ist. Die Inhalte des Kontos bleiben jedoch weiter bestehen. Die Klägerin beansprucht mit ihrer Klage von der Beklagten, den Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, insbesondere zu den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten. Sie macht geltend, die Erbengemeinschaft benötige den Zugang zu dem Benutzerkonto, um Aufschluss darüber zu erhalten, ob ihre Tochter kurz vor ihrem Tod Suizidabsichten gehegt habe, und um Schadenersatzansprüche des U-Bahn-Fahrers abzuwehren.
Klage letztlich erfolgreich
Das Landgericht hatte der Klage stattgegeben (DNotZ 2016, 537). Auf die Berufung der Beklagten hatte das Kammergericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen (DNotZ 2018, 286). Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin. Der BGH hat das Urteil des KG aufgehoben und das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt.
BGH: Nutzungsvertrag im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf Erben übergegangen
Die Erben hätten gegen die Beklagte einen Anspruch, ihnen den Zugang zum Benutzerkonto der Erblasserin und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten zu gewähren, so der BGH. Dies ergebe sich aus dem Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Klägerin und der Beklagten, der im Weg der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 Abs. 1 BGB auf die Erben übergegangen sei.
Gedenkzustand-Klausel nicht wirksam einbezogen
Dessen Vererblichkeit sei nicht durch die vertraglichen Bestimmungen ausgeschlossen. Die Nutzungsbedingungen enthielten hierzu keine Regelung. Die Klauseln zum Gedenkzustand seien bereits nicht wirksam in den Vertrag einbezogen. Sie hielten überdies einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB nicht stand und wären daher unwirksam.
Nutzungsvertrag auch nicht höchstpersönlicher Natur
Auch aus dem Wesen des Vertrags ergibt sich nach Ansicht des BGH keine Unvererblichkeit des Vertragsverhältnisses. Insbesondere sei dieser nicht höchstpersönlicher Natur. Der höchstpersönliche Charakter folge nicht aus im Nutzungsvertrag stillschweigend vorausgesetzten und damit immanenten Gründen des Schutzes der Persönlichkeitsrechte der Kommunikationspartner der Erblasserin. Zwar möge der Abschluss eines Nutzungsvertrags mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks in der Erwartung erfolgen, dass die Nachrichten zwischen den Teilnehmern des Netzwerks jedenfalls grundsätzlich vertraulich bleiben und nicht durch die Beklagte dritten Personen gegenüber offengelegt werden. Die vertragliche Verpflichtung der Beklagten zur Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten sei jedoch von vornherein kontobezogen. Sie habe nicht zum Inhalt, diese an eine bestimmte Person zu übermitteln, sondern an das angegebene Benutzerkonto. Der Absender einer Nachricht könne dementsprechend zwar darauf vertrauen, dass die Beklagte sie nur für das von ihm ausgewählte Benutzerkonto zur Verfügung stellt. Es bestehe aber kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass nur der Kontoinhaber und nicht Dritte von dem Kontoinhalt Kenntnis erlangen. Zu Lebzeiten müsse mit einem Missbrauch des Zugangs durch Dritte oder mit der Zugangsgewährung seitens des Kontoberechtigten gerechnet werden und bei dessen Tod mit der Vererbung des Vertragsverhältnisses.
Digitale Inhalte mit Tagebüchern oder persönlichen Briefen vergleichbar
Eine Differenzierung des Kontozugangs nach vermögenswerten und höchstpersönlichen Inhalten scheide aus. Nach der gesetzgeberischen Wertung gingen auch Rechtspositionen mit höchstpersönlichen Inhalten auf die Erben über. So würden analoge Dokumente wie Tagebücher und persönliche Briefe vererbt, wie aus § 2047 Abs. 2 und § 2373 Satz 2 BGB zu schließen sei. Es bestehe aus erbrechtlicher Sicht kein Grund dafür, digitale Inhalte anders zu behandeln.
Weder postmortales Persönlichkeitsrecht noch Fernmeldegeheimnis hindern Anspruch
Einen Ausschluss der Vererblichkeit aufgrund des postmortalen Persönlichkeitsrechts der Erblasserin hat der BGH ebenfalls verneint. Auch das Fernmeldegeheimnis stehe dem Anspruch der Klägerin nicht entgegen. Der Erbe sei, da er vollständig in die Position des Erblassers einrückt, jedenfalls kein "anderer" im Sinne von § 88 Abs. 3 TKG.
Datenschutzrecht steht Anspruch nicht entgegen
Schließlich kollidiere der Anspruch der Klägerin auch nicht mit dem Datenschutzrecht. Der BGH hatte hierzu die seit 25.05.2018 geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) anzuwenden. Diese stehe dem Zugang der Erben nicht entgegen, entschieden die Richter. Datenschutzrechtliche Belange der Erblasserin seien nicht betroffen, da die Verordnung nur lebende Personen schütze. Die der Übermittlung und Bereitstellung von Nachrichten und sonstigen Inhalten immanente Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kommunikationspartner der Erblasserin sei sowohl nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO als auch nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO zulässig. Sie sei sowohl zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kommunikationspartnern der Erblasserin erforderlich (Art. 6 Abs. 1 Buchst. b Var. 1 DS-GVO) als auch aufgrund berechtigter überwiegender Interessen der Erben (Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO).