BGH: Beginn der Rücktrittsfrist bei einer Versicherung nach dem Antragsmodell

VVG a. F. § 8 V 1 und 3

Bei einem Vertragsschluss im Antragsmodell wurde der Versicherungsnehmer mit der Belehrung, dass er «innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages» zurücktreten könne, über das für den Beginn der Rücktrittsfrist maßgebliche Ereignis hinreichend informiert. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.

BGH, Urteil vom 17.10.2018 - IV ZR 106/17 (LG Köln), BeckRS 2018, 26818

Anmerkung von
Rechtsanwalt Holger Grams, Fachanwalt für Versicherungsrecht, München

Aus beck-fachdienst Versicherungsrecht 23/2018 vom 14.11.2018

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Sachverhalt

Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer die Rückzahlung von Versicherungsbeiträgen für eine fondsgebundene Lebensversicherung, die Anfang 2002 im Wege des sogenannten Antragsmodells des § 8 VVG a.F. abgeschlossen worden war. Der Versicherungsantrag enthielt unmittelbar über der Unterschriftenzeile eine fettgedruckte Belehrung mit der seitlichen fettgedruckten Überschrift «Rücktrittsrecht».

2015 erklärte der Kläger den «Widerspruch/Rücktritt/Widerruf» und hilfsweise die Kündigung. Die Beklagte akzeptierte die Kündigung und zahlte den Rückkaufswert aus. Der Kläger verlangt die Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts, da er nach seiner Ansicht wirksam vom Versicherungsvertrag zurückgetreten sei. Die Rücktrittsbelehrung sei nicht ordnungsgemäß gewesen, da der Beginn der Rücktrittsfrist durch die Formulierung «nach Abschluss des Vertrages» nicht hinreichend klar bezeichnet worden sei. Außerdem fehle es an einer gesonderten Bestätigung der Belehrung durch Unterschrift.

Das Amtsgericht wies die Klage ab, die Berufung des Klägers blieb ebenso erfolglos wie seine (offenbar vom Landgericht zugelassene) Revision.

Rechtliche Wertung

Der Kläger habe sein nach § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. bestehendes Rücktrittsrecht nicht wirksam ausgeübt, entschied der BGH. Die Rücktrittsfrist von 14 Tagen nach Abschluss des Versicherungsvertrages sei gemäß § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. durch die Rücktrittsbelehrung in Lauf gesetzt worden, da die Belehrung ordnungsgemäß gewesen sei und der Kläger die Belehrung durch seine Unterschrift bestätigt habe.

Der Kläger sei mit der beanstandeten Formulierung, dass er «innerhalb einer Frist von 14 Tagen nach Abschluss des Vertrages» zurücktreten könne, über das für den Beginn der Rücktrittsfrist maßgebliche Ereignis hinreichend informiert worden. Eine Erläuterung, dass der Vertrag in dem Zeitpunkt abgeschlossen war, in dem der Versicherungsschein dem Versicherungsnehmer zuging, sei nicht erforderlich gewesen, weil der Versicherer nicht gehalten sei, dem Versicherungsnehmer die Anforderungen an das Rücktrittsrecht über den Gesetzeswortlaut hinaus zu erklären.

Der Senat habe bereits entschieden, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer auch nicht über eine etwaige Form der Rücktrittserklärung belehren müsse, weil von ihm nicht verlangt werden könne, die insoweit unklare gesetzliche Bestimmung des § 8 Abs. 5 VVG a.F. auszulegen (Urteil vom 29.06.2016 - IV ZR 24/14, r+s 2016, Anmerkung Grams in FD-VersR 2016, 380080).

In Belehrungen über das Widerspruchsrecht nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. sei der aus dieser Vorschrift entlehnte Begriff der «Textform» nicht erläuterungsbedürftig (BGH, Urteil vom 10.06.2015 - IV ZR 105/13, NJW 2015, 2733, Anmerkung Grams in FD-VersR 2015, 370471). Ebenso wenig könne vom Versicherer eine Erläuterung der dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 1 VVG a.F. entsprechenden Formulierung «nach Abschluss des Vertrages» gefordert werden.

Dies gelte umso mehr, als die Annahmeerklärung des Versicherers nicht zwangsläufig erst in der Übersendung des Versicherungsscheins liegen oder mit dieser verbunden sein müsse. Eine umfassende Erläuterung hätte dann auch den Fall einer verspäteten Annahmeerklärung sowie die Möglichkeit einer Annahme unter Änderungen (§ 150 BGB) umfassen und dabei die Billigungsklausel des § 5 VVG a.F. einbeziehen müssen. Eine solche Belehrung, die all diese Eventualitäten abdecke, hätte keine weitere Verdeutlichung der Voraussetzungen des Rücktrittsrechts bewirkt. Im Übrigen habe der durchschnittliche Versicherungsnehmer ohne weiteres erkennen können, dass jedenfalls in der zeitnahen Übersendung des seinem Antrag entsprechenden Versicherungsscheins die Annahme seines Angebots lag und damit der Vertrag zustande gekommen und die Rücktrittsfrist in Gang gesetzt worden war.

Auch der Umstand, dass die Bestätigung der Belehrung nicht durch eine gesonderte Unterschrift des Klägers erfolgt sei, sei unschädlich. Entscheidend sei, dass sich die Unterschrift jedenfalls auch auf die Belehrung über das Rücktrittsrecht bezogen habe. Eine gesonderte Bestätigung der Rücktrittsbelehrung sei nach dem Gesetzeswortlaut des § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F. nicht erforderlich.

Praxishinweis

Das OLG Frankfurt am Main hatte die Auffassung vertreten, dass eine Belehrung inhaltlich unzureichend ist, wenn dem Versicherungsnehmer nicht mitgeteilt wird, dass der maßgebliche Zeitpunkt für den Fristbeginn die Übersendung der Police darstellt, mit deren Zugang der Vertrag zustande kommt. Die Angabe «Abschluss des Vertrages» reiche nicht aus, um dem Versicherungsnehmer klar vor Augen zu halten, dass es für den Fristbeginn einer Annahmeerklärung der Beklagten bedarf, die in der Zusendung des Versicherungsscheins zu sehen ist (OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.12.2015 - 3 U 51/15, BeckRS 2015, 113274).

In derselben Entscheidung hatte das OLG Frankfurt am Main auch gefordert, dass die Unterschrift des Versicherungsnehmers sich nur auf die Bestätigung der Belehrung beziehen dürfe. Dabei bezog sich das OLG jedoch auf eine BGH-Entscheidung zu einem Bierlieferungsvertrag, auf den der damalige § 1b Abs. 2 Satz 3 AbzG anwendbar war, der, gerade anders als § 8 Abs. 5 Satz 3 VVG a.F., eine gesonderte Unterschrift bzgl. einer Widerrufsbelehrung verlangt hatte.

Diesen zusätzlichen formellen Anforderungen hat der BGH nun zu Recht eine Absage erteilt.

Redaktion beck-aktuell, 23. November 2018.