Aufenthalt unbekannt: Demenzkranke Person kann dennoch unter Betreuung gestellt werden

Darf einem Menschen mit kognitiven Einschränkungen die Selbstbestimmung über seine Vermögensangelegenheiten entzogen werden – auch wenn er vermisst wird? Der BGH sagt ja und sendet damit ein Signal für den Schutz hilfebedürftiger Menschen auch ohne deren Zustimmung.

Der BGH hat die Rechtsbeschwerde eines mutmaßlich demenzkranken Mannes zurückgewiesen, der sich gegen die Bestellung eines Berufsbetreuers und die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge zur Wehr setzte (Beschluss vom 09.04.2025 – XII ZB 235/24). Der Betroffene leidet an einer kognitiven Störung – wohl hervorgerufen durch eine beginnende Demenz mit Verdacht auf eine bereits bestehende leichte Intelligenzminderung – und drohte, zu verwahrlosen.

2018 hatte er einer nahestehenden Person eine umfassende notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt. Dennoch bestellte das AG Euskirchen einen beruflichen Betreuer unter anderem für Vermögenssachen, nachdem ein Sachverständiger dies nahegelegt hatte. Ende 2023 widerrief der Betreuer die zuvor der Vertrauten erteilte Vollmacht. Zudem ordnete das AG einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge an. Dagegen legten sowohl der Betroffene als auch die ursprüngliche Bevollmächtigte Beschwerde ein.

Das LG Bonn wies den Rechtsbehelf zurück – ohne den Mann nochmals persönlich anzuhören, da dieser am Heiligabend 2023 unter ungeklärten Umständen aus seiner Wohneinrichtung verschwunden war und seither vermisst wird.

Es geht auch ohne Kenntnis der gegenwärtigen Lebenssituation

Der unter anderem für das Betreuungsrecht zuständige XII. Zivilsenat bestätigte die Entscheidungen der Vorinstanzen. Er betonte: Entscheidend für die Erforderlichkeit einer Betreuung sei nicht allein die subjektive Unfähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, sondern ein konkreter Unterstützungsbedarf (§ 1815 Abs. 1 Satz 3 BGB). Deshalb könne – auch wenn der Aufenthaltsort derzeit unbekannt sei – eine Betreuung erforderlich sein – etwa um, wie vom LG ausreichend dargelegt, sich um die Post zu kümmern sowie gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern aufzutreten.

Auch der angeordnete Einwilligungsvorbehalt, so die Karlsruher Richter weiter, sei nicht zu beanstanden, da dem Mann wegen seiner Krankheit und Persönlichkeitsstruktur eine konkrete massive Fremdbeeinflussung drohe, die sein Vermögen gefährden könne (§ 1825 Abs. 1 Satz 1 BGB). Die pauschale Behauptung des Beschwerdeführers einer „Unbetreubarkeit“ verwarf der Senat jedoch: Die fehlende Kooperationsbereitschaft sei in diesem Fall Ausdruck der Erkrankung und rechtfertige kein Absehen von der Betreuung. Vielmehr könne der Betreuer trotz fehlender Kommunikation im Interesse und zum Wohl des Betroffenen rechtlich tätig werden.

Dass die ursprünglich Bevollmächtigte auf Wunsch des Betroffenen als Betreuerin eingesetzt werden sollte, fand keine Berücksichtigung. Da die Frau nach Ansicht der Gerichte – unter anderem wegen des Risikos unrechtmäßiger Vermögensverfügungen – für diese Aufgabe als ungeeignet befunden wurde, war der Widerruf der Vollmacht durch den neuen Betreuer nicht nur rechtlich möglich, sondern auch sachlich gerechtfertigt.

BGH, Beschluss vom 09.04.2025 - XII ZB 235/24

Redaktion beck-aktuell, ns, 2. Juni 2025.

Mehr zum Thema